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Brot

Könnte Brot den Syrienkrieg entscheiden?

Neben Aushungern und chemischer Kriegsführung verfügt das Assad-Regime über eine weitere, überraschende Waffe in seinem Arsenal: Brot.

Den alten Spruch „Liebe geht durch den Magen" kennen wir alle. Der eine oder andere nimmt ihn auch sehr ernst, wie zum Beispiel die Bloggerin, die ihrem Freund in Hoffnung auf einen Verlobungsring 300 Sandwiches gemacht hat. Aber auch der syrische Präsident/Tyrann Bashar al-Assad scheint an diese Maxime zu glauben.

Das soll natürlich nicht heißen, dass Assad—dessen Regime schon seit fünf Jahren von diversen oppositionellen Kräften inklusive dem Schlagzeilen dominierenden IS bekämpft wird—einen schönen Teller Fatteh für seine/n Liebste/n zubereitet (wobei, vielleicht ja schon). Aber während des gesamten syrischen Bürgerkriegs hat Essen eine zentrale Rolle in der Strategie des Diktators gespielt, um die Zivilisten für sich zu gewinnen. Ein Nahrungsmittel musste besonders herhalten: Brot.

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Während der letzten Jahre stellte Syriens Ministerium für Binnenhandel und Konsumentenschutz Zivilisten, die sich in von der Regierung kontrollierten Gebieten aufhielten, stark subventionierte Nahrung zur Verfügung. Dadurch erhofft sich das Regime die Loyalität eines Volkes, das es zuvor aushungern ließ und vergaste. Wie aber José Ciro Martinez von der University of Cambridge und der Journalist Brent Eng in „Assad's Bread Problem", einem Kommentar über die staatliche Kriegsstrategie, schreiben, sind „Brotsubventionen ein mächtiger Anreiz für Zivilisten, die Machthaber zu unterstützen oder ihnen zumindest zu gehorchen". „Die Verteilung von Lebensmitteln ist zu einem Instrument geworden, mit dem das Regime erschöpfte Zivilisten besänftigt, während es sie subtil an die Vorteile der Staatsmacht und der staatlichen Verwaltung erinnert."

Das Assad-Regime könnte diese subtile Erinnerung aber mit einer seiner jüngsten Entscheidungen aufs Spiel setzen. Letzten Monat erhöhte die Regierung den Preis einer 1,55 kg-Standardpackung Brot um 10 syrische Pfund (5 Cent) auf 35 (16 Cent). Der Preisanstieg—der zweite innerhalb der letzten sieben Monate—war für viele Syrer ein Schock und „könnte ein wichtiges Kapitel in einem Konflikt sein, in dem die Regierung das Aushungern genauso effektiv wie Fassbomben und chemische Waffen eingesetzt hat", schreiben Martinez und Eng. In den vom IS kontrollierten Gebieten versuchte die Terroristengruppe, aus Assads Preiserhöhungen einen Nutzen zu ziehen, indem sie das wenige Brot, das sie finden konnte, verteilte, um die Loyalität ihrer Anhänger zu stärken.

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Das Regime hatte kaum eine andere Wahl, als die Brotpreise zu erhöhen. Während der letzten Jahre verringerte sich die Zahl der Weizensammelstellen des Landes, die von den Oppositionellen geplündert und attackiert wurden, von 140 auf 40; vier von fünf Hefefabriken machten dicht und Mühlen und Bäckereien wurden entweder ganz geschlossen, oder sind nicht voll gelastet. Außerdem hat der Staat die Kontrolle über riesige Weizenproduktionsflächen verloren, die von Rebellen eingenommen wurden.

Seltsamerweise behauptet das Regime, dass die Weizenproduktion dieses Jahr selbstversorgend sein wird und dass Syrien, anders als die letzten Jahre, das Getreide nicht mehr importieren muss.

„Letztes Jahr war unser Ertrag akzeptabel, dieses Jahr wird er sogar üppig sein, weil die Regenfälle extrem zufriedenstellend waren und wir größere Fläche bewirtschaften konnten", sagte Hassan Safiyeh, der Minister für Binnenhandel und Konsumentenschutz, zur Nachrichtenagentur Reuters. „Dieses Jahr müssen wir nicht um unseren Weizen fürchten."

Wenn man aber bedenkt, dass die Weizenernte des letzten Jahres die schlechteste des Landes seit 40 Jahren war, scheinen diese Behauptungen fragwürdig und werden wahrscheinlich zu einem weiteren Anstieg der Brotpreise führen.

In einer komplizierten Situation wie in Syrien, ist es keine Übertreibung zu behaupten, dass die Brotpreise einen nachweisbaren Effekt auf das Ergebnis des Konfliktes haben, argumentieren Martinez und Eng.

„Für den unbedarften Betrachter mag ein Preisanstieg von 6 Cent [5 Euro-Cent] für mehr als ein Kilo Brot kaum als ein Grund zur Sorge scheinen", schreiben sie. „Im Kontext der ernährungsbedingten, politischen und symbolischen Bedeutung [von Brot] in Syrien ist das jedoch eine gewaltige Erhöhung."

„Dem Assad-Regime könnte also schon bald die Munition für eine seiner typischen Waffen ausgehen."