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I Got It From My Mama: Philipp Inreiter

Wir haben mit Philipp Inreiter über Pilzsporen, seine kulinarischen Wurzeln und seinen beruflichen Werdegang gesprochen und ihn gefragt, warum er in Zukunft ausschließlich vegetarisch kochen will.

Foto: Itzi May

Neben unseren Lieblingsthemen, die meist eher geistiger Natur sind, essen wir auch hin und wieder gerne. In manchen Streitgesprächen darüber, wo es die besten Marillenknödel oder den besten Schweinsbraten gibt, sind wir meistens zum Schluss gekommen, dass niemand an das Rezept von Oma/Mama oder Papa/Opa auch nur ansatzweise herankommt. Deshalb wollen wir in unserer Serie „I Got It From My Mama“ mit interessanten Personen über Essen sprechen und sie zu ihren kulinarischen Wurzeln, Einflüssen und Vorlieben befragen.

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Solltet ihr den Namen Philipp Inreiter noch nicht kennen, dann können wir euch nur einen guten Tipp geben: merkt ihn euch! Während wir in seinem Alter maximal ein paar Vorlesungen besucht haben, war er schon Chef de Partie im Noma, das sich derzeit mit dem Titel „World's Best Restaurant“ schmücken darf. Nun ist er wieder zurück in Österreich und wir haben uns mit ihm über Pilzsporen, Ameisen, seine Herkunft und seine Zukunftspläne unterhalten.

VICE: Als du noch ein Kind warst, wer war bei euch in der Familie fürs Kochen zuständig? Gab’s da eine fixe Rollenverteilung?
Phil: Ja, bei uns war das relativ klassisch. Meine Mama hat jeden Tag frisch gekocht und es war ihr auch sehr wichtig, dass es abwechslungsreiche und frische Kost gibt. Aber mein Papa war auch sehr interessiert daran und hat am Wochenende mitgeholfen, wenn Zeit dafür war. Ansonsten war die Rollenverteilung relativ klassisch. Wir waren drei Kinder und meine Mutter hat damals ihren Job gekündigt und ist bei uns zu Hause geblieben. Sie sah es auch als ihren Job, dass jeden Tag frisches Essen auf den Tisch kommt.

Wie wurde das Essen bei euch in der Familie gehandhabt—wurde es so richtig zelebriert oder war das eher etwas, das man nebenbei gemacht hat?
Es war schon sehr wichtig, dass wir uns am Abend gemeinsam an einen Tisch setzen, um die gemeinsame kalte Jause zu essen. Da hat sich jeder dafür Zeit genommen. Das haben wir von unseren Eltern sehr gut mitgekriegt.

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Und wie war das am Wochenende? Gab es da etwas Spezielles?
Das war eigentlich sehr klassisch. Am Sonntag gab es meistens Lungenbraten.

Gibt es einen regionalen Background was das Essen betrifft?
Das war sehr von der Oma angehaucht, also klassisch oberösterreichisch und viel Regionales vom Bauernmarkt. Da hat meine Mama viel von meiner Oma übernommen und dann so weitergegeben. Es hat schnell gehen müssen, und jeder hat satt werden müssen. Aber gleichzeitig sollte es auch gesund sein und einem hohen Qualitätsanspruch genügen.

Hast du gewisse Essens-Rituale aus deiner Vergangenheit für dich übernommen? Oder hältst du es ganz anders?
Das Sich-Zeit-Nehmen fürs Essen hab ich definitiv übernommen. Und auch dem Gegenüber, das kocht, Respekt zu zeigen. Das hab ich als Kind nie so gesehen—das war eher etwas Beiläufiges. Da war mir das noch nicht so klar, dass es wichtig ist, gemeinsam zusammenzukommen. Das hab ich erst im Nachhinein realisiert, nachdem ich gesehen habe, dass meine Mama eigentlich eher ungern gekocht hat und sie das aber trotzdem gemacht hat. Das hat mir gezeigt, dass es für sie wirklich wichtig war, sich dafür Zeit zu nehmen.

Foto: Philipp Inreiter

Hat das Essen deiner Mama dann überhaupt geschmeckt?
Ja, sie hat richtig gut gekocht. Sie hat das einfach aus einem handwerklichen Zugang gemacht, aber es war nicht ihre Passion.

Wie bist du zum Kochen gekommen?
Ich habe schon mit sechs Jahren damit begonnen. Habe alles probiert und verkostet und auch ab und zu bei meiner Mama mitgekocht.

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Es heißt ja oft, „Niemand kocht so gut, wie die Mama/Oma oder der Papa/Opa“. Gibt es ein Rezept, das du da weitergeben kannst?
Ich bin da eher eigenständig. Ich rufe höchstens meine Oma an und frage, was sie im Garten hat, damit ich vorbeikommen und mir Obst und Gemüse holen kann.

Gibts ein Essen, auf das du Lust hast, wenn du verkatert bist?
Da muss es eher sehr deftig und einfach sein. Eier mit Gemüse und Buttersauce zum Beispiel bieten sich da an.

Wie sieht dein Ausbildungsweg aus?
Ich habe eine klassische Kochlehre in Oberösterreich bei einem gutbürgerlichen Wirtshaus—dem Weindlhof Mauthausen gemacht. Nach der Lehre habe ich dann den Zivildienst absolviert und dann stand kurz zur Debatte, nach New York zu gehen. Das war aber finanziell nicht möglich.

Wie kamst du zum Noma?
Ich habe mich einfach beworben. Das ist relativ unkompliziert. Nachdem es so wahnsinnig viele Bewerber gibt, lief das Prozedere so, dass man in einem Formular in 50 Worten beschreiben musste, warum man ins Noma kommen will und was man sich erhofft, mitzunehmen. Ich wurde dann eingeladen um mitzuarbeiten. Dann muss man sich behaupten und ziemlich viel Einsatz zeigen. Ich wollte ursprünglich nur drei Monate bleiben und dann nach Japan gehen. Im Noma wurde ich dann aber gefragt, ob ich länger bleiben will und als Chef de Partie arbeiten will.

Würdest du das Noma wirklich als bestes Restaurant der Welt bezeichnen?
Ich denke, das ist schwierig  zu beantworten. Es gibt so viele unterschiedliche Arten zu kochen. Aber das Noma setzt momentan wirklich Trends. Das hat auch einen Grund: die Motivation und die Passion, die jeder Einzelne, der da arbeitet, mit sich bringt, sind immens. Das Team besteht aus 60 Personen in der Küche und noch mal 20-30 im Service. Jeder ist wahnsinnig motiviert. Kollektiv gesehen ergibt das ein Endprodukt und eine Qualität, die überdurchschnittlich hoch sind.

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Warum bist du zurück nach Österreich gekommen?
Das war eigentlich gar nicht geplant. Ich hatte ein paar Tage frei und bin über Weihnachten zurück nach Österreich gekommen. In der Zeit habe ich zufällig Irene Weinfurter kennengelernt, die sich gerade selbständig machen wollte. Sie war schon im Biocatering-Bereich tätig und hatte einen großen Garten zum Selbstanbauen von Gemüse. Sie hat mich gefragt, ob ich nicht Interesse hätte, an diesem Projekt mitzuarbeiten. Zu dieser Zeit war ich aber noch im Noma tätig. Also habe ich mit dem Küchenchef gesprochen und ihm davon erzählt. Er hat mich bestärkt und mir die Option gegeben, jederzeit wieder zu ihnen zurückzukommen. Mit der Zeit ist mir dann immer mehr bewusst geworden, dass es in Österreich noch wahnsinnig viel Potential gibt und man noch viel bewegen kann, wenn man die Passion und die Motivation hat. Deshalb bin ich jetzt erst mal geblieben.

Foto: Philipp Inreiter

Würdest du deinen eigenen Kochstil als sehr vom Noma geprägt bezeichnen?
Es sind beim Noma eher die Techniken, die man mitnimmt. Es gibt ja auch ein eigenes Food Lab, in dem experimentiert wird. Interessant ist zum Beispiel, wie man Koji herstellt—das ist eine ursprünglich japanische Art von fermentiertem Reis, der mit einem Aspergillus oryzae Pilz versehen wird. Im Noma wird aber zum Beispiel anstatt Reis Rollgerste verwendet. Im Endeffekt werden japanische Techniken bei heimischen Produkten angewendet. Man kann zum Beispiel genauso diesen Sojasauce-Effekt—den sehr intensiven Umami-Geschmack—auch mit Rollgerste erzeugen. Das schmeckt doch irgendwo ähnlich, aber auch wieder ganz anders. Oder aber Ameisen—die haben einen sehr säuerlichen Zitrusgeschmack. Die kann man perfekt in einem Salatdressing verwenden. Wenn man sie allerdings lebend isst, muss man schnell sein, damit man nicht in die Zunge gebissen wird. Aber klar, man nimmt immer irgendwas mit. Trotzdem versuche ich mich auch abzugrenzen und einen eigenen Stil zu kreieren. Ich gehe zum Beispiel sehr in die vegetarische Richtung—ich habe zwar noch Fischprodukte im Menü aber ansonsten schaue ich, dass ich mein Menü längerfristig ganz vegetarisch gestalte.

Warum?
Ich bin selbst seit zwei Jahren Vegetarier—ich hab zwar lange und gerne Fleisch gegessen aber ich finde, gerade als Koch hat man da eine gewisse Verantwortung und kann etwas bewegen. Man kann jemandem auch etwas schmackhaft machen, ohne dass Fleisch dabei ist. Außerdem finde ich interessant, sich zu reduzieren, weil man sich einfach mehr fokussieren muss. Da ändert sich auch der Geschmacksinn. Fast jeder kennt und mag Fleisch. Dass jedoch auch nur Gemüse gut schmeckt, will ich einfach beweisen. Ich will auch ein Gegenbeispiel setzten zu dem was im Moment passiert. Es wird so viel und billiges Fleisch konsumiert. Und auch wenn ich mich für hochqualitatives Fleisch entscheide, kann sich das auch wiederum nicht jeder leisten.

Das heißt, es war kein Problem für dich als Vegetarier im Noma auch Fleisch zu kochen?
Da war viel vegetarisch. Aber mit 60 Köchen ist es manchmal wie ein Bausatz. Ein Gericht besteht aus 30, 40 oder 50 Komponenten und jeder hat eine Aufgabe. Also so kochen wie man es kennt, ist das nicht.

Es gab vor kurzem ein Pop Up Dinner, das sehr schnell restlos ausgebucht war. Was sind die zukünftigen Pläne, beziehungsweise wo kann man dein Essen probieren?
Die Location ist noch nicht fix. Aber es wird definitiv im September etwas zustande kommen. Es ist nämlich wirklich relativ schwierig, sein eigenes Lokal aufzumachen. Vor allem auch in meinem Alter mit wenig Budget und mit den baupolizeilichen Auflagen, die in Österreich teilweise vorliegen. Deshalb machen wir Pop-Ups, und rösten nebenbei Kaffe—wovon wir vor einer Woche den ersten Rohkaffee bekommen haben: 700 kg direkt aus Guatemala. Den wirds dann bei unseren Pop-Ups und in diversen Feinkostläden geben. Weitere Infos kann man auf unserer Facebook Page finden.