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Nahrungsmittelknappheit

Schwimmende Farmen gegen die weltweite Nahrungsmittelknappheit

Mit ihrer Mischung aus Aquakultur, Hydroponik und Photovoltaik könnten „Floating Farms" 365 Tage pro Jahr Nahrungsmittel produzieren, unabhängig von Wasserknappheit, Dürreperioden oder Naturkatastrophen.

2050 werden wahrscheinlich 9,6 Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben. Um den Hunger der gesamten Weltbevölkerung zu stillen, muss die Lebensmittelproduktion bis dahin um 70 Prozent ansteigen. Zu allem Übel wird auch die Wasserknappheit ein immer größeres Problem. Laut des World Resources Institute findet ein Drittel der derzeitigen Lebensmittelproduktion an Orten statt, wo das Wasser ausgeht.

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Angesichts der alarmierenden Lage sind wir für alle Ideen offen—je verrückter, desto besser—und der Architekt Javier F. Ponce von Forward Thinking Architecture (in Kollaboration mit Jakub Dycha) hat wahrscheinlich eine der außergewöhnlichsten von allen: eine schwimmende Farm.

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Smart Floating Farms (SFF), wie die Macher sie nennen, sind „automatische, küstennahe, mehrstöckige Lebensmittel- und Energieproduktionsplattformen". Oder um es einfacher zu halten: Diese auf Wasser treibenden Gebilde könnten es möglich machen, dass Ländern Essen geliefert wird, die selbst Probleme mit dem Lebensmittel- und Wasserimport sowie mit der Lebensmittelproduktion oder gar -knappheit haben.

„Nachdem ich ein bisschen nachgeforscht und Dokumentationen über die Zukunft der Menschheit angesehen hatte, wollte ich mein Wissen im Bereich Architektur und Design einsetzen, um die Welt zu verbessern", sagt Ponce. „Die Themen, die mich besonders fesselten, waren die Lebensmittelrisiken und der derzeitige Trend, Lebensmittel von einem Ort zum anderen zu transportieren, was enorme Umweltprobleme verursacht."

Ponces Konzept ist keine ausgefallene Idee der Zukunft, sondern er ließ sich von der Vergangenheit inspirieren. Er sagt, „schwimmende Farmen an sich existieren historisch gesehen schon sehr lange". Als Beispiel nennt er die Chinampas in der Maya-Landwirtschaft.

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Diese künstlichen Inseln werden auch „schwimmende Gärten" genannt und aus Pflanzenwuchs und Schlamm auf Süßwasserseen gebaut. Die feuchte Umgebung ermöglicht einen Kreislauf der Zersetzung und der Bewässerung, wodurch der Erdboden gedüngt und somit für die Landwirtschaft fruchtbar wird.

Dieses Landwirtschaftssystem wurde im 14. Jahrhundert entwickelt und die Azteken verwandelten den Großteil des Sees Xochimilco in einen riesigen schwimmenden Garten, mit dem sie bis zu 230.000 Menschen ernährten. Einige der Chinampas existieren heute noch.

Photo via Flickr user Art Purée

Foto von Art Purée via Flickr.

„Wir haben es hier nicht mit Science Fiction zu tun. Das ist eine ernsthafte und realistische Lösung", sagt Ponce. „Sie soll nicht alle Hungerprobleme der Menschheit ‚lösen' oder die traditionelle Landwirtschaft ersetzen; das ist ganz und gar nicht der Gedanke dahinter. Wir wollen einfach eine Alternative schaffen, die mit den bereits vorhandenen Produktionsmethoden kompatibel ist und sie ergänzen kann, um das Problem der Nahrungsmittelunsicherheit zu verringern."

Aber wie funktioniert diese schwimmende Farm eigentlich?

Das System hat drei Ebenen mit jeweils unterschiedlichen landwirtschaftlichen Anlagen.Die unterste Ebene ist von der Umgebung abgetrennt und wird hauptsächlich für die Fischerei genutzt. Es gibt außerdem Bootsanlegestellen, eine Verladezone, Lagerräume und eine Verarbeitungsanlage.

Auf der zweiten Ebene befindet sich das automatische Hydroponiksystem, bei dem die Nutzpflanzen durch nährstoffreiches Wasser und eine erdähnliche Basis aus Steinwolle, Kokoswolle oder Lehm (statt Erde) gedüngt werden. Auf Regen oder fruchtbares Land ist dieses System also nicht angewiesen—nur auf behandeltes Wasser.

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Auf der obersten Ebene befinden sich eine Solaranlage, Lüftungen sowie Geräte zur Mikroklima- und Bewässerungs-Kontrolle. Hier findet auch das wichtige Abfall- und Energiemanagement durch Biogasanlagen, Wasserrecycling und Bioenergieerzeugung statt.

Mit ihrer Mischung aus Aquakultur (Fisch), Hydroponik (Nutzpflanzen) und Photovoltaik (Sonnenenergie) könnten die Smart Floating Farms 365 Tage pro Jahr Nahrungsmittel produzieren, ganz unabhängig von Wasserknappheit, Dürreperioden oder Naturkatastrophen. Ponces Design verspricht einen jährlichen Ertrag von 8152 Tonnen Gemüse und 1703 Tonnen Fisch.

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Jede zukünftige Megastadt mit Süßwasserzugang (durch Seen oder Flüsse) könnte von dieser Landwirtschaftsform profitieren: Chicago, Tokio, Singapur, Jakarta, Kairo, Doha, Osaka, Bahrain, Istanbul… Die Liste ist unendlich.

Ist die schwimmende Farm jedoch nur eine Idee oder könnte sie eines Tages tatsächlich als kommerziell überlebensfähiges Agrobusiness umgesetzt werden? Der Gründer und Chefredakteur von Indie Farmer, Nigel Akehurst, ist von ihrem Potential überzeugt.

„Was die Realisierbarkeit anbelangt, würde ich sagen, dass das Projekt sehr anspruchsvoll ist", sagt er. „Aber wenn man sich Unternehmen wie Thanet Earth ansieht, die erfolgreich Salat und Gemüse durch Hydroponik anbauen, und all die Technologien und das Wissen, das es bereits gibt, um dieses Konzept zu einer kommerziellen Realität werden zu lassen, dann könnten Floating Farms potentiell eine nachhaltige Methode bieten, um regionales, gesundes Essen anzubauen."

Der „Erfinder" der SFF glaubt jedenfalls daran.

„Es fing als Idee an", erinnert sich Ponce, „und es entwickelte sich zu einer potentiellen Realität. Momentan kann ich noch nicht mehr dazu sagen."

Kein Stress, Ponce, es geht nur um die Zukunft der Menschheit.