Treffpunkt für Stoner, Trinker und die Cops: Die illegalen Bäckereien von Amsterdam

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Late Night Snack

Treffpunkt für Stoner, Trinker und die Cops: Die illegalen Bäckereien von Amsterdam

In der Stadt sind Gras und Prostitution legal und nächtliche Croissants illegal.

Amsterdam: Die Stadt, in der Gras und Prostitution legal sind, und wo sich Menschen nachts illegal in Bäckereientreffen. Die Bäckerei De Rond ist eine der wenigen, die um 3 Uhr morgens öffnen darf. Hier haben sich in den letzten 44 Jahren angetrunkene Nachtschwärmer ein leckeres Schinken-Käse-Croissant von Harry van der Manden gekauft, wenn sie mal keinen Bock auf einen fettigen Döner hatten. Im letzten Jahr drohte der Bäckerei jedoch die Lizenz für die veränderten Öffnungszeiten entzogen zu werden, Stammkunden haben dagegen protestiert, es gab sogar eine Petition, sodass die Stadt entschied, die Lizenz um weitere fünf Jahre zu verlängern.

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Andere Bäckereien dürfen, wie auch normale Geschäfte, nur zwischen sechs Uhr morgens und zehn Uhr abends geöffnet sein. Aber Amsterdamer, die nachts noch hungrig durch die Straßen radeln, wissen, dass es einige Bäcker gibt,die sich nicht daran halten. Zwischen vier Uhr und sechs Uhr morgens muss man einfach an geheime Hintertüren klopfen und kann für ein kleines Schmiergeld ein Sandwich oder ein frisches Croissant ergattern.

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Alle Fotos von Raymond Van Mil

Fast alle Bäckereien außerhalb des Stadtzentrums machen das somanche öfter, manche seltener. Einige Bäcker allerdings wollen das endlich legalisieren und gehen relativ offen mit ihren nächtlichen Aktivitäten um.Sie hoffen, dass der Gemeinderat so erkennt, dass das Gesetz Bullshit ist.

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Ron Verboom

Ab halb vier morgens steht Ron Verboom in seiner Backstube. Um vier kommen die ersten frischen Croissants und Brote aus dem Ofen—und draußen warten die Kunden. „Hinter der Bäckerei habe ich eine Garage, dahängt ein Schild, „Bäckerei". Jeder, der anklopft, bekommt was zu essen. Ein bisschen anstrengend ist das Ganze, weil ich immer Bestellungen aufnehme, dann die Tür schließe, die Sandwiches mache, wieder zurück zur Tür gehe, aufmache, das Geld entgegennehme und dann wieder zurück muss, um das Wechselgeld zu holen."

Unter der Woche kann bekommt man durch den Hintereingang frische Backwaren. Am Wochenende öffnet Ron seine Bäckerei um fünf Uhr morgens, eine Stunde vor der gesetzlich festgelegten Öffnungszeit.

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Ron hat angefangen, auch nachts zu verkaufen, um überleben zu können. „Als sie die neue Nord-Süd-Linie der U-Bahn gebaut haben, hatten wir plötzlich nicht mehr 650, sondern nur noch 250 Kunden pro Tag. Von der Regierung gab es keine finanzielle Entschädigung, also musste ich selbst eine Lösung finden. Während des ADE [Amsterdam Dance Event] haben immer mehr Leute frühmorgens bei mir geklopft. Warum sollte ich also nicht einfach was verkaufen? Meine Fixkosten sind ziemlich hoch und ich bin ja eh hier und der Ofen läuft. Früher habe ich nur Freitag- und Samstagnacht gearbeitet, jetzt hat sich das weiterentwickelt."

Ron macht Sandwiches mit Bacon, Eiern und Käse und Burger. Mit den Sandwiches, die er zum normalen Preis ohne Nachtzuschlag verkauft, macht er 60 Prozent Umsatz. „Mir macht das Spaß, aber es gibt auch einige Nachteile. Ich muss noch mehr arbeiten als vorher. Seit Kurzem kommen auch ein paar Kunden von der Bäckerei auf der Overtoom, weil sie dort keine warmen Brötchen mehr verkaufen."

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Er weiß aber auch, dass er eines Tages Schwierigkeiten bekommen könnte. „Ich mache ja kein Geheimnis draus. Manchmal ist der Laden voll und das kann man schwer verheimlichen. Partyvolk, Feuerwehrleute, die Leute vom Rettungsdienst und sogar Polizisten kommen die ganze Nacht über."

Ein Sprecher des Gemeinderats, Samira Ben Messaouad, erzählt mir, dass jede Bäckerei eine Genehmigung beantragen kann, um zwischen 22 Uhr und 6 Uhr öffnen zu können, aber in Wirklichkeit ist das nicht so einfach. Politiker haben Angst vor Betrunkenen, die die nächtliche Ruhe stören könnten. „Deshalb werden solche Anträge oft abgelehnt. Wenn es so einfach wäre, hätte ich das schon vor langer Zeit gemacht", meint Ron. „Aber ich glaube, dass mein Antrag eh abgelehnt wird."

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Koert van Egmond

In den letzten drei Jahren gab es nur zwei kleine Schlägereien in seiner Bäckerei, beide zu den gesetzlichen Öffnungszeiten. „Natürlich gibt es immer wieder besoffene Arschlöcher oder Leute, die total high sind, aber ob die aggressiv werden, hängt auch davon ab, wie man mit ihnen umgeht. Ich mache immer ein paar Witze und bleibe ruhig, damit denen klar wird, dass sie sich gerade vor haufenweise Leuten blamieren. Die anderen 98 Prozent sind einfach nur glückliche Leute, die dankbar sind, dass sie hier etwas essen können."

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Bei der Bäckerei Venekamp von Koert van Egmond klopfen jede Nacht Kunden an die Hintertür, sie wissen genau, wo es frisch gebackenes Brot gibt. „Sogar die Polizei weiß, was hier abgeht, aber so lange man niemanden stört, tolerieren sie es. Manchmal klopfen sie selbst an, um sich etwas zu essen zu holen."

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Einige Clubs in Amsterdam sind 24 Stunden geöffnet, Imbisse und Bäckereien müssen da noch aufholen. Die „illegalen Bäckereien" in der Stadt sind ein Lichtblick für hungrige und betrunkene Nachtschwärmer, hier entsteht ein echtes Gemeinschaftsgefühl. Vielleicht sollte auch die Politik das begreifen und die Sache konstruktiv unterstützen. Selbst einige Polizisten haben das erkannt.