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Vegane Ernährung

In der Ernährungswüste: Veganes Restaurant vs. Fast Food

„Und, mögen die Einwohner veganes Essen?“ „Irgendwie schon."
Photo via Flickr user mrzeta

Das vielleicht größte Lob für veganes Essen ist es, wenn es nicht nach veganem Essen schmeckt.

Zum Glück ist das auch bei den meisten Gerichten von Stuff I Eat der Fall. Wenn man aus irgendeinem Grund die einzelnen Beschreibungen nicht gelesen hat, würde man nicht glauben, dass in den „Mac'n'Cheese", den Enchiladas und den Nachos keinerlei tierische Produkte enthalten sind. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mich hauptsächlich vegan ernähre, meine Geschmacksknospen liefern deshalb vielleicht nicht das objektivste Urteil.

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Babette Davis schneidet Tomaten in ihrem Restaurant Stuff I Eat. Alle Fotos von der Autorin

In Los Angeles bekommt man an fast jeder Ecke veganes Essen. Aber in Inglewood, circa zehn Kilometer südlich vom Stadtzentrum L.A.s, vermutet man wohl kein rein veganes Restaurant, das fast ausschließlich mit Bio-Produkten arbeitet. Wie das US-Landwirtschaftsministerium berichtet, leben viele der Einwohner der Stadt in sogenannten „Ernährungswüsten": Gegenden mit niedrigem Durchschnittseinkommen, in denen die Einwohner abhängig sind von Mini-Märkten und Fast-Food-Restaurants, da Supermärkte nur schwer erreichbar und kaum bezahlbar sind. Die Menschen haben also nur beschränkt Zugang zu gesundem Essen.Wer hier Burger mit Nuss-Pattys zu halbwegs vernünftigen Preisen verkaufen will, hat sich also ganz klar ein ziemlich nobles (wenn nicht sogar hochmütiges) Ziel gesteckt.

„Und, klappt das?", frage ich Babette Davis, Köchin und Mitinhaberin von Stuff I Eat, eine 65-Jährige im Körper einer 40-jährigen Pilates-Trainerin. Ab und zu unterbricht sie unser Gespräch, um mitten im Restaurant ein paar Liegestütze zu machen (und zwar die richtigen, nicht die Schummelvariante) oder um sich auf einen Stuhl zu stellen und die Nationalhymne zu singen oder um ein bisschen Kohl zu schneiden oder eben um schnell mal ein paar Selfies mit ihren Gästen zu schießen.

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Als ich dann irgendwann ihre Aufmerksamkeit habe, frage ich sie direkt: „Und, mögen die Einwohner veganes Essen?"

Die Antwort: Irgendwie schon.

Babette schätzt, dass gut ein Viertel ihrer Kunden aus der direkten Nachbarschaft kommen. Das ist im Vergleich zu 2008, als sie ihr Restaurant eröffnet hat, wesentlich besser.

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„Es hat etwas gedauert, bis Leute zu uns kamen, insbesondere hier aus dieser Gegend", gibt sie zu. „Gerade auch wenn irgendwo ,vegan' steht." Viele kommen rein, sehen sich die Karte an und weil sie kein Fleisch finden können, gehen sie wieder.

In solchen Momenten rennt Babette ihnen hinterher und versucht sie mit einem kostenlosen Taco mit Wildreis doch noch in ihr Geschäft zu locken. „Danach setzen sich neun von zehn Leuten hin und bestellen sich etwas", erklärt sie stolz.

Einige weigern sich allerdings, das Essen zu probieren, auch wenn es kostenlos ist. „Es ist eben eine kleine Herausforderung für die Menschen hier. Viele sind einfach stur und meinen, sie müssen unbedingt täglich ihr Fleisch essen. OK, sie sind Fleischesser, verstehen wir. Wir lassen sowas aber nicht zu nah an uns herankommen, weil die meisten unser Essen doch lieben lernen."

Warum also veganes Essen? Und warum gerade hier?

Auf die zweite Frage hat Babette eine ganz klare Antwort: Die Miete war einfach billig. Und zwar wesentlich billiger als in Downton L.A.

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Bevor sie diesen Laden gefunden haben, haben sie und ihr Ehemann vegan Tacos an einem kleinen mobilen Imbissstand verkauft. Davor hatten sie einen Transporter gemietet und noch davor hat Babette ihr Essen aus dem Kofferraum ihres Hondas verkauft.

Als sie dann diese Immobilie gefunden hatten, war das wie eine Fügung des Schicksals. Außerdem gab es ihnen das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, meint Babette: „Wir wussten, dass wir unser Essen hier verkaufen müssen, in einer Gegend mit so vielen Gesundheitsproblemen. Weil wir von hier kommen, wussten wir, dass man sich hier nichts Gesundes zu essen kaufen kann. Jedes Mal, wenn wir gute Lebensmittel kaufen wollten oder essen gehen wollten, mussten wir dafür durch die halbe Stadt fahren—gerade auch für veganes Essen."

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Babette lebt seit 25 Jahren vegan. Heute ernährt sie sich außerdem hauptsächlich von veganer Rohkost. „Ich mag lebendinges Essen mehr als totes." Sie meint, dass sie dadurch mehr Energie hat, aber ab und zu isst sie auch etwas Gegartes.

Ihre Ernährungsweise halten die meisten wahrscheinlich für „extrem". Aber auch sie stand noch vor ein paar Jahrzehnten auf der anderen Seite: „Veganer waren für mich alles Hare-Krishna-Jünger", lacht sie. „Nein, bitte, kein Grünzeug für mich. Mir geht's gut!"

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Allerdings fühlte sie sich jahrelang nach dem Essen immer wie aufgebläht und hatte chronische Verdauungsprobleme. Sie musste etwas ändern. Ihr Mann kochte 1990 das erste Mal vegan für sie und seitdem hat sie keinen Gedanken mehr an ihre früheren Essgewohnheiten verschwendet.

Heute gehört sie selbst zu denen, die sie vor Jahren immer verspottet hat. Im Vergleich zu früher mutet es fast schon komisch an, wenn sie jetzt vegane Mayonnaise und Hefeflocken verwendet.

Sie will ihre Ernährungsweise niemandem aufzwängen; wenn man sie allerdings zu ihrer Ernährung befragt, spricht sie sehr offen über ihre Ansichten. „So wie ich aussehe und wie es mir geht sollte es doch allen Menschen gehen", betont sie. „Aber wir fügen uns eben selbst viel Schaden zu, indem wir uns nicht richtig ernähren."

Babette macht keinen Hehl daraus, dass ihre vegane Ernährung auch zu ihrem athletischen Äußeren beigetragen hat. Und wenn das wirklich stimmt, dann bitte her mit dem Tofu.