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Ebola und Hungersnot—die humanitäre Krise verschärft sich

Der Ebola-Ausbruch in Westafrika könnte schon bald zu einer weiteren humanitären Katastrophe führen: Hungersnot. Aus diesem Grund haben wir uns erneut mit einem Vertreter des World Food Programme getroffen, um mehr zu erfahren. Spenden hilft.
Hilary Pollack
Los Angeles, US

Anfang des Monats haben wir uns gefragt, inwieweit die aktuelle Ebola-Epidemie, die jetzt schon seit über einem halben Jahr in Westafrika wütet, zu einer ausgewachsenen Nahrungsmittelkrise in den betroffenen Regionen führen könnte. In den westlichen Medien wurde dieser Punkt bisher nur marginal betrachtet. Stattdessen wurde über mögliche Gefahren für die Länder außerhalb Afrikas diskutiert, wobei vor allem die Infektion eines Arztes aus New York in den letzten Tagen die Schlagzeilen bestimmt hat.

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Doch im Epizentrum der Ebola-Epidemie—also besonders in Liberia, Sierra Leone und Guinea—verdichten sich die Anzeichen einer zweiten humanitären Katastrophe, die mit dem Ausbruch der tödlichen Seuche in enger Verbindung steht und zunehmend auch solche Personen erfasst, die bis dato von Ebola verschont blieben. Welche Gefahr für eine Verbreitung des Ebola-Virus auch von einer drohenden Hungersnot ausgehen könnte, hat sich letzten Donnerstag in der liberischen Stadt Jenewonda gezeigt. Dort drohten 43 unter Quarantäne stehende Personen damit, sich gegen ihre Isolation zu wehren, wenn ihnen nicht umgehend Essen gereicht wird.

Mit an vorderster Front kämpfen die Mitarbeiter des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP), die aktuell ihre Anstrengungen verstärken, um mindestens einer Million Betroffenen helfen zu können. Wir haben uns mit Alexis Masciarelli, dem WFP-Sprecher für Westafrika, getroffen, weil wir mehr über die wachsende Nahrungsmittelkrise wissen wollten. Außerdem hat er uns verraten, was in Jenewonda wirklich passiert ist, und wie auch wir von zu Hause aus das Not der Betroffenen lindern können.

MUNCHIES: Zuletzt haben wir mit Vertretern vom WFP Anfang Oktober gesprochen. Welche Entwicklungen gab es in den letzten drei Wochen? Alexis Masciarelli: Wir haben natürlich unser Engagement in den Krisengebieten verstärkt, da die Krise an Fahrt aufgenommen hat. Seit April konnten wir fast 800.000 Menschen mit Lebensmitteln versorgen, und das sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gegenden. In Gebieten, die weiträumig unter Quarantäne gestellt wurden, gehen wir oft von Haus zu Haus. Unsere Operation in Westafrika sieht nicht nur die Verteilung von Lebensmitteln vor, sondern auch die Bereitstellung von medizinischem Fachpersonal und Equipment in allen betroffenen Gebieten.

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Photo courtesy of WFP/Djaounsede Pardon Madjiangar

Würdest du sagen, dass sich die Lebensmittelknappheit vor Ort im letzten Monat weiter verschärft hat? Um die Frage beantworten zu können, muss man sich nur die steigenden Zahlen anschauen. Die Hilfsbereitschaft der internationalen Gemeinschaft hat in den letzten zwei Wochen deutlich zugenommen. Schon jetzt wird deutlich, dass sich viele Familien aufgrund der Ebola-Krise in der Region nicht mehr ausreichend ernähren können. Ebola sorgt dafür, dass der Handel mit Lebensmitteln vielerorts zum Erliegen gekommen ist. Am meisten betroffen sind natürlich Guinea, Sierra Leone und Liberia, aber auch in den Nachbarländern spitzt sich die Lage langsam zu. Dort bleiben viele Farmer auf ihren Erzeugnissen sitzen.

Das Entscheidende ist aber, dass viele Menschen ihren Job verloren haben. Fabriken, Minen, Plantagen und Schulen haben dichtgemacht, weswegen viele Leute kein Geld mehr für Lebensmittel haben oder sich nur noch ein bis zwei Mahlzeiten pro Tag leisten können.

Momentan richtet sich unser Hauptaugenmerk auf die Leute, die direkt von Ebola betroffen sind—also Menschen, die isoliert wurden und unter Quarantäne stehen. Gleichwohl überlegen wir uns langfristige Lösungen, falls es in diesem oder nächsten Jahr zu Ernteausfällen kommen sollte. Denn auf vielen Farmen fehlt es schlichtweg an Arbeitskraft.

Wo befindest du dich in diesem Moment? Ich bin in Senegal, im ursprünglichen WFP-Hauptquartier.

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Wir haben gelesen, dass einige Leute in Jenewonda ihre Quarantänestation verlassen wollten, weil sie nicht ausreichend mit Essen versorgt wurden. Kannst du uns dazu mehr sagen? Die Sache ging recht schnell. Es waren rund 40 Leute. Als wir vom WFP davon hörten, haben wir umgehend ein Team mit Lebensmitteln losgeschickt. Es waren vielleicht nur 40 Mann, aber Personen unter Quarantäne stehen bei uns besonders im Fokus, da sie ja gezwungen sind, an Ort und Stelle zu bleiben, und somit abhängig von Lebensmittellieferungen sind. Wir werden in diesem Rahmen noch enger mit den Regierungen zusammenarbeiten, denn die sind für die Verhängung der Quarantäne verantwortlich. So wissen wir, wo und wann Leute unter Quarantäne stehen und können besser die Lebensmittelversorgung planen.

Photo courtesy of WFP/Djaounsede Pardon Madjiangar

Welche längerfristigen Konsequenzen siehst du für die Nahrungsmittelversorgung in Westafrika? Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu sagen, da wir noch nicht den Höhepunkt der Krise erreicht haben. Momentan geht es vor allem darum, die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Wie lange die Krise noch andauern wird und welche Auswirkungen zu erwarten sind, sind zwei Fragestellungen, auf die wir aktuell noch keine Antworten haben. Wir sammeln wichtige Daten und Informationen aus den Krisengebieten und schauen uns an, inwieweit das Leben und der Lebensunterhalt der Menschen schon jetzt betroffen sind. Dabei interessiert uns natürlich vor allem, ob die Menschen durch das Virus weniger Geld für Lebensmittel haben. Wir wissen, dass es eine direkte Verbindung zwischen der Ausbreitung von Ebola und Ernährungssicherheit gibt. In den Gebieten, die am stärksten vom Virus betroffen sind, gibt es auch die größten Lebensmittelengpässe.

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Wird sich also die Lage erstmal deutlich verschlechtern? Davon gehen wir leider aus. Darum ist es umso wichtiger, dass wir das Virus stoppen. Die internationale Gemeinschaft hat ihre Bemühungen deutlich verstärkt. Alle ziehen an einem Strang, weil endlich auch der Letzte verstanden hat, dass es sich um die schwerwiegendste Gesundheitskrise der jüngsten Geschichte handelt. Wie lange diese andauern wird, hängt von der Hilfsbereitschaft und dem Engagement eines jeden Einzelnen von uns ab.

Photo courtesy of WFP/Djaounsede Pardon Madjiangar

Wie kann die westliche Welt helfen? Durch Spenden! Denn bisher steht uns nur ein Drittel der benötigten Mittel zur Verfügung. Wir wollen aber unbedingt an unserem medizinischen Engagement festhalten, auch weil sich die humanitäre Krise immer mehr verschärft. Darum errichten wir vielerorts medizinische Einrichtungen, wofür noch mehr medizinisches Personal nötig ist.

Danke für das Gespräch.

Hier könnt ihr für das UN World Food Programme (WFP) spenden.

Oberes Foto: United Nations Development Programme | Flickr | CC BY 2.0