Das Meer ist voller Geld: In den Salomonen kannst du mit Muscheln zahlen
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Das Meer ist voller Geld: In den Salomonen kannst du mit Muscheln zahlen

Auf der Insel Malaita wetten manche Einheimische auf einen Bitcoin-ähnlichen Boom.

Diese Frage wirst du vermutlich nie jemandem stellen: "Entschuldigung, wie viele Muscheln kostet das?" Aber in dem Südsee-Inselstaat der Salomonen fällt dieser Satz täglich. Dort gibt es noch Muscheln als Währung.

"Wie viel Thunfisch man für seine Muscheln bekommt, hängt von der Farbe und Form ab", erklärt Mary Bruno, eine Ladeninhaberin aus Auki, einer Fünftausend-Seelen-Stadt auf der Insel Malaita. Auki liegt etwa eine halbe Flugstunde von der salomonischen Hauptstadt Honiara entfernt. "Eine Kette aus dunkleren Muscheln ist vielleicht zwei kleinere Dosen Thunfisch wert, aber die seltenen roten sind wertvoller." Für eine Kette mit roten Muscheln bekomme man genug Thunfisch, um eine Großfamilie "für lange Zeit" satt zu machen, sagt Mary.

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Die roten Muscheln rechts sind die wertvollsten

Die traditionelle Währung besteht aus echten Muscheln, die aus dem Meer geholt, geschnitten, poliert und auf Schnüre gefädelt werden. In der Regel sind die Ketten einen bis eineinhalb Meter lang. Vor allem auf Malaita, der salomonischen Insel mit den meisten Einwohnern, zahlen die Menschen mit der Muschelwährung. Zwar akzeptieren die Banken die Ketten nicht, aber in den meisten Läden der Insel kann man damit problemlos einkaufen.

Serah Kei betreibt Serah's Hideaway – ein Geheimtipp für deinen nächsten Aufenthalt in Langa Langa

Traditionell wird das Muschelgeld ausschließlich in einer Lagune namens Langa Langa hergestellt – sozusagen die Münzprägeanstalt der Salomonen. In Langa Langa betreibt Serah Kei mit ihrem deutschen Mann Gustav eine Pension namens Serah's Hideaway. Zu 98 Prozent steht das Hideaway leer. Das Paar hat allerdings einen Plan B, um sich finanziell abzusichern: Die beiden hamstern Muschelgeld.

Gustav sagt, er rechne damit, dass die Primitivwährung irgendwann nicht mehr produziert werden wird. Und dann wird er wie Dagobert Duck in einem Meer aus blanken, extrem wertvollen Muscheln schwimmen. Vielleicht ist an seiner Theorie sogar was dran, immerhin importieren die Bewohner von Langa Langa inzwischen rohe Muscheln aus anderen Gegenden – die Massenproduktion hat die Vorräte der Lagune erschöpft. Gustav möchte nicht verraten, wie viele Muscheln er bereits beiseite gelegt hat. Nur, dass es "viele" sind.

"Das ist mein finanzielles Polster", sagt er. "Den Großteil der Muscheln habe ich vor 20 bis 30 Jahren gekauft. Eines Tages werden sie sehr viel wert sein." Auch andere Einwohner berichten, dass der Wert der Muscheln tatsächlich gestiegen ist: Sie sollen heute fünfmal so viel wert sein wie vor 30 Jahren.

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Künstliche Inseln in der Lagune

Langa Langa ist auch ohne das Kuriosum Muschelgeld ein faszinierender Ort. Vor etwa 150 Jahren schütteten die Einheimischen in der gesamten Lagune künstliche Inseln auf, um sich dorthin vor Kannibalen zu flüchten. Die Kannibalen kamen regelmäßig aus den naheliegenden Bergen, Töten, berichten die Einheimischen, sei für sie eine Art Hobby gewesen. Allerdings hatten die Kannibalen auch Angst vor dem Ozean.

Die Salomonen liegen nordöstlich von Australien und direkt östlich von Papua-Neuguinea

Als sie auf ihre winzigen Inseln gezogen waren, brauchten die Menschen in Langa Langa etwas, mit dem sie Handel betreiben konnten, also fingen sie an, Muscheln zu polieren. Anfang des 20. Jahrhunderts waren Muscheln in der Region Asien-Pazifik noch eine verbreitete Währung. Die meisten dortigen Kulturen haben sich inzwischen auf Währungen verlagert, die auf dem US-Dollar basieren. Langa Langa ist einer der letzten Orte der Welt, an dem die Bewohner noch mit Muscheln bezahlen.

Es gibt in den Salomonen noch eine weitere traditionelle Verwendung für Muscheln: den Brautpreis. Der Bräutigam zahlt der Familie einer Frau Muscheln, um sie zur Braut zu nehmen. Auch als Wiedergutmachungsgeld sind Muscheln noch verbreitet, zum Beispiel wenn ein Dorfbewohner etwas aus einem anderen Dorf stiehlt.

Mary vor ihrem Laden

Doch welche Zukunft hat die Währung?

Die größte Menge Muscheln wechselt heute auf dem Markt in der Landeshauptstadt Honiara die Hände. Dort verkaufen Einheimische sie als Schmuck an Touristen. Doch wie Mary Bruno, deren Familie aus Langa Langa stammt, erklärt: Muschelgeld ist eine Lebensweise.

"Man findet es auf der gesamten Insel", sagt sie. "Ich denke, das wird es hier immer geben. Für meine Kinder, deren Kinder und deren Kinder … und auch noch in 400 Jahren. Davon bin ich überzeugt."

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