Goldfische, Weizengras und das große Fressen: Das Neujahrsfest Noruz

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Goldfische, Weizengras und das große Fressen: Das Neujahrsfest Noruz

Dieser Tage findet quer über einen großen Teil des Nahen Ostens das größte Frühjahrsfest der Welt statt: Das altiranische Neujahrsfest Noruz.

Dieser Tage findet quer über einen großen Teil des Nahen Ostens das größte Frühjahrsfest der Welt statt: Das altiranische Neujahrsfest Noruz, zu Deutsch „neuer Tag", beginnt jedes Jahr am 20. März auf die Sekunde pünktlich zur Tagundnachtgleiche und dauert zwei Wochen. Und wie es sich für ein Fest in der Region gehört, insbesondere eines, das den Anbruch der fruchtbaren Jahreszeit feiert, steht Essen im Vordergrund.

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Zwei Wochen Familie, Geschenke und Völlerei—doch was verbirgt sich genau hinter diesem Fest?

Sasan Moayyedi_giant eggs in a park

Noruz ist im Iran das Neujahrsfest, doch auch in Afghanistan, Teilen von Pakistan, in kurdischen Gebieten des Irak und der Türkei, im Kaukasus und auf der Balkanhalbinsel wird das Fest gefeiert—also im gesamten altiranischen Kulturraum, auch wenn es in vielen Ländern nicht mehr den Status des Jahresanfangs inne hat und teilweise die einzelnen Rituale mal mehr, mal weniger voneinander abweichen. Ursprünglich ist es ein zoroastrisches Fest, was sich besonders in der Tradition des Tschahar Schanbe Suri zeigt—des Mittwochfeuers—das im Iran sowie in Teilen der kurdischen Gebiete und Afghanistans jedes Jahr am Dienstagabend vor dem Neujahrsfest gefeiert wird. Dabei werden überall kleine und große Lagerfeuer entfacht, über die dann Jung und Alt, Groß und Klein springen, um sich von den Belastungen des alten Jahres rituell zu reinigen.

Sasan Moayyedi_chaharshanbehsuuri2

Gegessen wird eine spezielle Mischung aus Nüssen und getrockneten Früchten, die „problemlösende Nüsschen" genannt wird. Der Legende nach lösen sich persönliche Probleme, wenn man sich das beim Knabbern wünscht.

Sasan Moayyedi_fresh almonds

Wenn das Mittwochsfeuer gelöscht ist, geht es die verbleibenden Tage bis Neujahr an die Besorgungen für den Neujahrstisch—quasi die altpersische Antwort auf den Weihnachtsbaum. Doch statt einen Baum mit Ornamenten zu behängen, wird hierbei ein Tisch mit symbolischen Speisen gedeckt.

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Sasan Moayyedi_eggs

Sabzi-Weizengras

Im Iran sind das sieben Dinge, die mit dem iranischen Buchstaben Sin beginnen: Münzen (Sekke), Apfel (Sib), Sumagh (Gewürzsumach), Hyazinthen (Sombol), Knoblauch (Sir), gegrüntes Weizengras oder Kresse (Sabzi) und Essig (Serke), dazu kommt noch Serke, eine Art Pudding aus gekeimten Weizen, ein Spiegel, ein Goldfisch, Reis, Tonfiguren von Bauern, Händlern und Tieren, bemalte Eier, sowie ein Gedichtband und ein heiliges Buch—je nach Religion der Familie ein Koran, eine Bibel oder eine Avesta bei zoroastrischen Familien.

In Afghanistan steht–statt der sieben Dinge, die mit Sin beginnen—Haft Mewa, eine Art Obstsalat aus sieben getrockneten Früchten in Fruchtsirup, auf dem Tisch. Die Tradition allerdings, genau zum Zeitpunkt des Jahreswechsels, Gebäck oder Süssigkeiten zu essen, ist aber in allen Regionen verbreitet—damit das Jahr so süß wie möglich beginnt.

Beim letzten Mahl vor dem neuen Jahr wird schon begonnen, den Frühling zu feiern, und zwar mit grünen Gerichten: Bei vielen Familien steht dann traditionell Sabzi Polo—ein durch gehackte Kräuter grün gefärbtes Reisgericht mit Fisch–auf dem Esstisch, und Kuku Sabzi—eine Art persische Tortilla, mit Kräutern statt Kartoffeln. Der erste Tag des neuen Jahres steht ebenfalls ganz im Zeichen der Völlerei: Jetzt ist Reshte Polo auf dem Plan, dahinter verbirgt sich wieder Reis, diesmal allerdings mit dünnen, in Stücke gebrochenen Eiernudeln, mit denen man „das Band des Lebens" wieder in die Hände bekommen soll—man könnte es ja nämlich durch zu heftiges Feiern vielleicht verlieren.

Die folgenden zwei Wochen bestehen größtenteils aus Familienbesuchen, kleinen Geschenken, noch mehr Süssigkeiten und möglichst vielen Portionen Kräuterreis. Am dreizehnten Tag des neuen Jahres wird das Neujahrsfest beendet und zwar mit Sizdehbedar, dem letzten großen Fest der Saison, wo alle dazu aufgerufen sind, das Haus zu verlassen—übersetzt bedeutet Sizdehbedar nämlich „13 aus dem Tür heraus". Das lassen sich die Feiernden natürlich nicht zweimal sagen, und so picknickt eine ganze Region an diesem Tag an Flüssen und Bächen, wo das gekeimte Grün des Sabzi einem fliessenden Gewässer übergeben werden soll, grillt obszöne Massen an Kebabs, und lässt Goldfische entweder im eigenen, oder in öffentlichen Brunnen und Teichen frei.

Sasan Moayyedi_noruz shopping

Schöner kann der Frühling eigentlich kaum beginnen.

Fotos von Sasan Moayyedi und der Autorin.