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Flüchtlingskrise

Laut Italien ist letztes Jahr "kein einziger Migrant" über den Brenner gekommen

Italiens Innenminister Alfano nannte Österreichs Grenzvorhaben "ungerechtfertigt".
Foto: Haneburger | Wikimedia | gemeinfrei |

Während europäische und nicht zuletzt österreichische Politiker weiterhin über eine "Schließung" der Mittelmeerroute streiten (wie auch immer das bei einem Meer genau funktionieren soll), hat die Zahl von Bootsflüchtlingen, die von Libyen aus italienisches Festland erreichen, in den letzten Tagen ein neues Hoch erreicht. Über 85.000 Menschen sind seit Jahresbeginn über diesen Weg nach Europa gekommen, und aktuell ist keine Veränderung in Sicht.

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Vergangenen Dienstag reagierte die österreichische Regierung auf diese Situation ziemlich genau so, wie man es aus den letzen Monaten und Jahren bereits gewohnt war: nämlich mit der Forderung nach Grenzkontrollen. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil kündigte an, sehr bald schon solche Grenzkontrollen am Brenner – der bekanntesten und meistbefahrenen Verbindung zwischen Italien und Österreich – einzuführen.

"Die Züge sind leer."

Darüber hinaus erklärte Doskozil, dass man das Bundesheer an den österreichisch-italienischen Grenzpass beordern lassen würde. Insgesamt 750 Soldaten und vier Panzer sollten den Brenner gegen afrikanische Migranten sichern. Der Militäreinsatz sei "unabdingbar, wenn der Zustrom nach Italien nicht geringer wird", so Doskozil gegenüber der Kronen Zeitung.

Wenn euch das ein bisschen sehr nach Wahlkampf klingt – oder wenn ihr das Gefühl habt, das Ganze könnte vor allem dazu gut sein, um die Notwendigkeit des Kurz-Programms heraufzubeschwören –, könntet ihr vielleicht Recht haben.

Bundeskanzler Kern ist jedenfalls schon einen Tag später wieder zurückgerudert – Grenzkontrollen und Militäreinsatz würden nicht passieren, man habe lediglich einen Notfallplan erstellt. Zuvor hatte sich die italienische Regierung über das vermeintliche militärische Vorhaben der Österreicher verärgert gezeigt und den österreichischen Botschafter in Rom zu sich gerufen. Besonders Italiens Innenminister Angelino Alfano übte am Dienstag öffentlich Kritik am Vorgehen Österreichs.

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Laut Alfano gäbe es aktuell keine Probleme am Brenner, die einen solchen Einsatz notwendig machen würden. Die österreichische Regierung würde sich gleich verhalten wie 2016, als am Brennerpass ebenfalls schon öffentlichkeitswirksam Grenzkontrollen eingeführt wurden. "Damals war von einer Brenner-Mauer die Rede. Danach haben wir festgestellt, dass kein einziger Migrant die Brenner-Grenze überschritten hat", so Alfano laut italienischen Medien.

Zur Erinnerung: Letztes Jahr machte die österreichische Regierung mit ähnlichen Plänen Schlagzeilen und sorgte für einen wochenlangen Streit mit den italienischen Kollegen. Grenzkontrollen am Brenner wurden von der EU aber untersagt. Selbst Innenminister Sobotka hat am Ende darauf hingewiesen, dass sich am Brenner flüchtlingsmäßig praktisch nichts tat:

Derzeit würden täglich 20 bis 50 Menschen aufgegriffen, "die der Route über Italien zuzuordnen sind", wie uns Oberst Tatzgern, Leiter der Zentrale Schlepperei-Bekämpfung im Bundeskriminalamt, erklärt. Am Brenner waren es laut Landespolizeidirektion Tirol im Zeitraum von 01.01.2016 bis 30.06.2017 durchschnittlich 11 bis 12 Aufgriffe pro Tag.

Aus dem österreichischen Innenministerium heißt es, laut italienischen Behörden seien im Zeitraum vom 01.01. bis zum 09.07.2017 insgesamt 1.815 Personen an der italienisch-österreichischen Grenze aufgegriffen. 2016 waren es noch weniger. "Die Züge sind leer", ließ Sobotka damals verkünden; und Grenzkontrollen am Brenner wären damit unnötig.

Um es gelinde zu sagen: Grenzkontrollen am Brenner zu fordern, ist so viel Wahlkampf und so wenig Inhalt wie das Parteiprogramm der Liste Kurz.

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