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Gesundheit

Nach einer Woche Glutamat wird dein Essen nie wieder dasselbe sein

Ich beschloss, eine Woche lang MSG in mein Essen zu mischen. Es war nicht schlecht, aber ich fühlte mich beschissen.
Photo by Sean Morrow

Ich bin in einem toxinfreien Haushalt aufgewachsen. Mein Vater arbeitete in der Biolebensmittelindustrie und meine Mutter war immer sehr darauf bedacht, dass wir keine Natriumlaurylsulfate und Fluoride zu uns nahmen. Und sicher, ich kapiere das: Warum sollten wir unsere Körper mit ‚Chemikalien' (ich benutze das Wort hier wie jemand, der die Dinge total natürlich halten will und nicht in seinem eigentlichen Sinn, als grundlegende Bausteine des Universums) belasten, wenn es nicht nötig ist?

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Als ich dann das Nest verließ, hab ich also die Sau rausgelassen und mich von Nitraten, Aspartam und Leitungswasser ernährt, was früher alles verboten war. Ich fühlte mich wie eine Priestertochter, die sich besäuft und das ganze Lacrosse-Team durchvögelt, bloß mit Durchfall verursachenden Aspartam-Kaugummis und mit Nitrat getränkten Hotdogs anstelle von Schwänzen und Schnaps. Aber über allem stand immer mein Lieblingstoxin MNG.

Das Zeug mit der Abkürzung der chemischen Bezeichnung ‚Macht Nahrungsmittel gut' (oder ‚Mononatriumglutamat') wurde 1908 in Japan erfunden, als der Lebensmittelwissenschaftler Kikunae Ikeda mit etwas Seetang rumexperimentierte und sich dachte: „Verdammt, schmeckt das gut!" Er fuhr mit der Essensalchemie fort, bis er die reinste Form erhielt: ein kristallines, weißes Pulver. Es schmeckte so gut, dass er eine ganze Geschmacksrichtung danach benannte. Nicht nur einen einzelnen Geschmack, eine ganze verdammte Geschmacksrichtung, wie süß oder salzig. Und von dieser Geschmacksrichtung hast du wahrscheinlich auch schon mal gehört: ‚Umami' bedeutet so viel wie ‚schmeckt wie MNG'. Wenn du umami magst, dann magst du auch MNG. Glutamat ist eine natürlich vorkommende Aminosäure, die der Körper sogar benötigt und verarbeitet, aber die synthetische Form, die man in MNG findet (aka das abgefahrene Zeug), kommt so in der Natur nicht vor. Laut einer kürzlich durchgeführten Studie tendiert MNG dazu, Zellen zu Tode zu stimulieren (das heißt hier ungefähr ‚so lecker sein, dass es Zellkerne sprengt'). Dies kann Kopfschmerzen, Durchfall und Fibromyalgie verursachen. Dann gibt es aber auch die, die behaupten, dass MNG total harmlos ist.

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MNG findet man in vielen Lebensmitteln der amerikanischen Supermärkte, aber es wird trotzdem immer noch wie Gift behandelt, und das von Leuten, denen gar nicht bewusst ist, wie viel sie davon täglich essen. Also habe ich mich der Aufgabe gestellt, MNG eine Woche lang in all meine Mahlzeiten zu geben. Ich war ein wenig besorgt, denn noch nie zuvor habe ich mit einer solchen Menge zu tun gehabt. Ich dachte, dass sich das Beschaffen eines solchen gefährlichen Stoffes schwierig gestaltet, aber ich fand MNG schnell in meinem örtlichen Supermarkt. Es ist sehr günstig, knapp zwei Euro für eine schier unendliche Zahl an Portionen (du sollst für ein halbes Kilo eigentlich nur einen Achtel Teelöffel verwenden).

Photo by Sean Morrow

Alle Fotos sind vom Autor.

Ein bisschen hab ich direkt so probiert: ekelhaft. Und das ist OK, denn es soll auch nicht gut schmecken. MNG ist ein Geschmacksverstärker, es intensiviert die Geschmäcker, die bereits da sind. Ich fing damit an, wie ein Abhängiger einen Behälter davon überall hin mitzunehmen und beim Verlassen des Hauses meine Taschen auf ‚Handy, Schlüssel, Geldbeutel, MNG' zu checken. Wenn du den Leuten im Büro, in Bars oder beim Brunch „ein bisschen MNG fürs Essen" anbietest, bekommst du als Antwort ein verwirrtes und angeekeltes „Nein". Dies ist entweder auf den unfairen schlechten Ruf von MNG zurückzuführen, oder darauf, dass die Leute es ziemlich komisch finden, wenn du ein kleines Fläschchen voller Kristalle mit dir führst, egal was diese auch sein mögen.

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Ich bereitete schnell eine einfache MNG- und eine normale Salatsoße zu—ich brauchte eine Probe zur Kontrolle, denn es handelt sich hier ja um eine total legitime, wissenschaftliche Studie. Ich goss beide über etwas Kohl und probierte das normale Dressing. Es war OK, aber nichts Außergewöhnliches. Dann probierte ich das mit MNG angereicherte Grünzeug. Unglaublich! Das Geschmacksprofil war komplett anders, viel intensiver. Ich verschlang alles und als ich mich wieder dem Salat ohne MNG zuwandte, schmeckte dieser viel schlimmer als zuvor. Das bisschen MNG-Parmesan-Salatsoße hat bei mir die Lust auf mehr geweckt und das Verlangen nach Mononatriumglutamat stieg ins Unermessliche. Fast wie wenn du menschliches Fleisch isst und dann immer mehr willst.

In der Anfangswoche der MNG-Challenge fand ich auch heraus, wie einfach eigene Butter herzustellen ist. Also machte ich welche mit etwas MNG. Sie war sehr lecker, aber auch mein erster Versuch, also kann ich nicht genau sagen, wie viel besser sie war. Letztendlich schmiss ich das Pulver in Cocktails, auf geliefertes Essen und auch auf alles andere, was in meinem Mund landete. Ich verbesserte Bio-Chips, ausgestattet mit einem ‚Ohne MNG'-Aufkleber, indem ich eine ganze Menge Mononatriumglutamat in die Tüte kippte und dadurch eine deutliche Zunahme des ‚Käse'-Geschmacks feststellen konnte. Ein von mir verwendetes Schmorfleischrezept gab als Zutaten Pilz- und Zwiebelsuppenpulver an, also kochte ich eine Version mit echten Pilzen, echten Zwiebeln und einem Haufen MNG (das, was meinem leckeren, frischen Gemüse fehlte). Der Pilzgeschmack stach deutlich hervor und das von mir verwendete, günstige Fleisch war superzart.

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Ich gab sogar etwas in meinen Lieblingscocktail: eine Variante des Gibsons mit einem Schuss Gurkensaft. Ich musste warten, bis sich der Barkeeper wieder wegdrehte, denn diese finden es normalerweise gar nicht so witzig, wenn du pulvrige Substanzen in ihre Drinks gibst. Meine Freunde dachten zuerst alle, ich sei komisch. Aber nachdem sie einen Schluck probiert hatten und es ihnen schmeckte, reicherten wir alle unsere Getränke für den Rest der Nacht heimlich mit MNG an. Ich weiß aus Erfahrung, dass Bier mit MNG scheiße schmeckt, aber das hielt meine dummen Freunde nicht davon ab, es zu probieren.

Photo by Sean Morrow

Nicht zu Hause nachmachen.

Während meiner Woche mit dem weißen Pulver gab es nur zwei Dinge, die mit MNG wirklich scheußlich schmeckten: ein Peanutbutter-Jelly-Sandwich und ein Jogurtparfait. Es ist einfach nicht für süßes Zeug bestimmt.

Während der Zeit des Experiments bemerkte ich keine negativen Auswirkungen auf meine Gesundheit und erfuhr nie das angebliche ‚Chinese Food Syndrome'. Ich hatte nur eines Morgens Kopfschmerzen, aber als unfähiger Wissenschaftler habe ich die Nacht zuvor auch Alkohol getrunken und kann somit nicht sagen, ob der Hangover durch Schnaps oder MNG verursacht wurde. Aber nur 36 Stunden nach der erneuten Umstellung meiner Ernährung kamen plötzlich grippeähnliche Schmerzen, ich fühlte mich extrem schlapp und verlor meinen Appetit. Ich fragte mich: „Sind das MSG-Entzugserscheinungen?" War ich nicht hungrig, weil der Geschmack des Essens vor mir nicht durch dieses magische, weiße Pulver alchemisch leckerer gemacht wurde?

Ich bin 18 Jahre ohne MNG ausgekommen—abgesehen von der gelegentlichen Tüte Chips—aber ich bin froh, dass es diesen Geschmackssuperhelden gibt. Nachdem ich so viel davon gegessen hatte, fühlte ich mich ein bisschen beschissen, aber das könnte auch nur eine dieser erzwungenen, psychosomatischen Reaktionen gewesen sein, die auch bei so vielen anderen ‚Lebensmittelunverträglichkeiten' vorkommen.

Oder vielleicht hatte ich einfach nur einen Kater.