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Landwirtschaft

Gemüse-Automaten könnten die Lösung für Frankreichs bankrotte Bauern sein

Während französische Bauern mit den billigen, importierten Lebensmitteln, die in Supermärkten verkauft werden, konkurrieren müssen, verzichtet der Pariser Laden Au Bout Du Champ auf den Mittelsmann und verkauft seine regionalen Erzeugnisse in...
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Momentan ist es kein Zuckerschlecken, Bauer in Frankreich zu sein.

Da die größten Supermarktketten Frankreichs ausländische Importprodukte den heimischen Erzeugnissen vorziehen, sind die Lebensmittelpreise des Landes in den Keller gefallen und zehn Prozent aller Nutztierfarmen stehen vor dem Bankrott. Mit strategisch platzierten, provisorischen Blockaden sollten Lastwägen mit spanischen und deutschen Lebensmitteln davon abgehalten werden, ins Land zu gelangen, während François Hollandes Versprechen einer Steuerentlastung für Bauern dafür kritisiert wurde, keine Lösung für die „Marktverzerrung" zu sein.

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Aber in einem ehemaligen Philosophencafé auf der Rue des Dames im Nordwesten von Paris keimt eine landwirtschaftliche Revolution auf.

Au Bout Du Champ („Am Ende des Feldes") ist ein Supermarkt, der eine direkte Verbindung zwischen dem Bauern und dem Konsumenten herstellt und dafür ein Distributionssystem verwendet, das während der Großen Depression und in der Nachkriegszeit in den USA an Beliebtheit gewann: der Automat.

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Damals konnten sich die hungrigen Amerikaner alles von Cremespinat bis hin zu Apfelkuchen aus den Chromstahlautomaten holen.

Bei Au Bout Du Champ wurde der Automat jedoch als Portal zwischen Paris und dem französischen Land neu erfunden. Zweihundert Fächer sind mit frischem, biologischen Obst, Gemüse und Eiern aus der Region Île-de-France (also maximal 50 km von der Stadt entfernt) gefüllt, und können gegen Kleingeld erworben werden.

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Ein Automat im Pariser Geschäft Au Bout du Champ. Foto vom Autor.

Damals konnten sich die hungrigen Amerikaner alles von Cremespinat bis hin zu Apfelkuchen aus den Chromstahlautomaten holen.

Bei Au Bout Du Champ wurde der Automat jedoch als Portal zwischen Paris und dem französischen Land neu erfunden. Zweihundert Fächer sind mit frischem, biologischen Obst, Gemüse und Eiern aus der Region Île-de-France (also maximal 50 km von der Stadt entfernt) gefüllt, und können gegen Kleingeld erworben werden.

Ein Automat im Pariser Laden Au Bout Du Champ. Fotos vom Autor.

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Die Produzenten bekommen dabei bis zu 50 Prozent der Einnahmen—ein weitaus höherer Anteil im Vergleich zu dem, was Supermärkte ihnen anbieten. Das wird durch das Selbstbedienungssystem von Au Bout Du Champ ermöglicht, das die Personalkosten auf ein Minimum senkt.

„Die großen Lieferanten haben die kleinen Produzenten in den letzten zehn Jahren in Frankreich vernichtet", erklärt Julien, der gemeinsam mit seinem Freund Joseph Au Bout Du Champ gründete. „Supermärkte wie Monoprix verlangen günstige Preise für Lebensmittel, aber das Obst und Gemüse ist nicht frisch und wird aus Ländern wie Südamerika importiert—es schmeckt furchtbar und es ergibt überhaupt keinen Sinn. Jedes Wochenende besuche ich meine Eltern und wir essen gemeinsam zu Mittag. Wir kaufen immer frisch geerntete Erzeugnisse von einem Bauern, der einen Stand neben der Straße hat, und das zu einem angemessenen Preis. In der Stadt gibt es die Möglichkeit gar nicht, an solche Produkte zu kommen."

Julien erzählte Joseph von diesem Missstand und die beiden beschlossen, etwas dagegen zu unternehmen. Münzschließfächer am Gare de Lyon inspirierten sie dazu, dieses Format für ihren Automaten zu übernehmen, da kein Personal dafür notwendig ist. Die beiden hatten jedoch keine Ahnung, wie die Öffentlichkeit darauf reagieren würde.

Julien und Joseph eröffneten ihren ersten Laden im Pariser Vorort Levallois-Perret, bevor sie 2014 vor die zentralere Filiale auf der Rue Des Dames eröffneten. In beiden Geschäften wurden Kameras installiert, um die Reaktion der Einkäufer festzuhalten.

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„Meine Mutter hielt es für keine gute Idee, weil sie gerne mit dem Verkäufer spricht, wenn sie Gemüse kauft. Sie greift auch gerne die Tomaten an, um zu schauen, ob sie reif sind", sagt Julien. „Ich verstehe das, aber stell dir mal vor, 100 Leute greifen deine Tomaten an, bevor du sie kaufst—das ist nicht hygienisch."

Er zeigt mir eine Videoaufzeichnung aus dem ersten Laden und erklärt, dass es nicht danach aussieht, als würden die Kunden die traditionelle Käufer-Verkäufer-Dynamik vermissen.

„Nach etwa einem Monat beobachteten wir, dass sich eine Verbindung zwischen den Konsumenten bildete, da es keine Beziehung zwischen uns—den Verkäufern—und dem Käufer gibt", fügt er hinzu. „Die Leute, die den Laden betreten, unterhalten sich übers Kochen oder darüber, wie das System funktioniert. Manchmal schließen sie sich zusammen und teilen den Inhalt eines Fachs. Es ist wie eine Gemeinschaft."

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Julien und Joseph sind nicht die einzigen, die das Potential des Automaten, um die Kluft zwischen Produzenten und Konsumenten zu überbrücken, erkannt haben. in Schottland verwendet der Bauer Peter Grewar aus East Perthshire einen sehr ähnlichen Automaten, um seine Kartoffeln im Overgate Shopping Centre in Dundee zu verkaufen.

„Es dauerte jeden Morgen nur für Minuten, um die Maschinen aufzufüllen, und sie wurden ziemlich schnell ziemlich beliebt. Wir befinden uns nur 30 Minuten mit dem Auto von Perth und Dundee entfernt, also dachten wir uns, in der Stadt würde das Konzept vielleicht noch besser funktionieren", erklärt Grewer. „Unsere Preise sind absolut konkurrenzfähig und es gibt niemanden zwischen uns und dem Konsumenten, also sparen wir uns Geld und können direkt mit der Öffentlichkeit kommunizieren."

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Der Automat mit den Erzeugnissen der Bauern aus der Region.

Zurück in Paris werden Julien und Josephs Automaten nicht nur von einem sondern gleich von vier Produzenten aufgefüllt. Das saisonale Obst und Gemüse wird jeden Tag zu den Geschäften geschickt und entspricht etwa 20 bis 25 Prozent der produzierten Ware der Bauern. Informationen in der Nähe der Automaten erklären die Geschichte der Bauern und die Philosophie, regionale Unternehmen zu unterstützen. Dank des Selbstbedienungskonzeptes sind die Geschäfte sieben Tage die Woche geöffnet—eine Seltenheit in Paris.

Ende des Jahres werden die beiden den dritten Automatenladen eröffnen und sie arbeiten derzeit auch an einem Liefersystem.

„Wir sind permanent im Gespräch mit den Bauern, um herauszufinden, was wir noch tun könnten, wie wir die frischen Produkte direkt auf die Teller der Pariser bekommen. Dass den Bauern 50 Prozent des Verkaufspreises zukommt, ist sehr wichtig", sagt Julien. „Es geht aber auch darum, den Leuten etwas beizubringen und ihnen zu zeigen, wie gutes Essen produziert wird, woher es kommt, und den Wert, die regionale Wirtschaft zu unterstützen, aufzuzeigen."

Während die Spannungen zwischen den französischen Bauern und den Supermärkten nicht nachzulassen scheint, ist Joseph und Juliens frischer Ansatz vielleicht die Lösung.