Regionale Küche funktioniert in Palästina auch trotz Besetzung

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Regionale Küche funktioniert in Palästina auch trotz Besetzung

Ich suchte mir eine Wahnsinnswoche für einen Essenstrip ins Westjordanland aus, aber landete zum Glück im Hosh Jasmin, einer Biofarm mit Restaurant an einem Hang in der Nähe Bethlehems.
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Alaa Qassas, Angesteller im Hosh Jasmin im Westjordanland. Fotos von Luke Pyenson.

Ich hab mir eine Wahnsinnswoche für einen Essenstrip ins Westjordanland ausgesucht. Ich kam genau an dem Tag in der Region an, an dem die drei israelischen Jugendlichen entführt wurden. Sie wurden kurz danach ermordet. Während ich von Stadt zu Stadt reiste und Palästinas wunderbare Küche kennenlernte, konnte ich beobachten, wie um mich herum die „Operation Brother's Keeper" eskalierte. Bis heute gerät die Situation immer mehr außer Kontrolle.

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Ich kam immer wieder zurück ins Hosh Jasmin, einer Biofarm mit Restaurant, das an einem Hang in der Stadt Beit Jala in der Gegend um Bethlehem liegt und ausgezeichnetes Essen, gastfreundliche Leute und eine wunderschöne Umgebung bietet.

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Ein Schild, das die Besucher von Hose Jasmin begrüßt. Der Besitzer Mazen Saadeh.

Mazen Saadeh, der sich selbst in erster Linie als Schreiber und Filmemacher beschreibt, rief Hosh Jasmin (auf Arabisch auch als „Hosh-al-Yasmine" bekannt) 2012 ins Leben, nachdem er mit seinem Restaurant und Ausstellungsraum Hosh al-Elleeya in Birzeit in der Nähe von Ramallah bereits erfolgreich war. Seine Inspiration war eine Farm mit Restaurant, die er während seiner Zeit in Portland mit seiner Exfrau entdeckte. Als sich aber die Gelegenheit in Birzeit ergab, kam er zurück nach Palästina. Hosh al-Elleeya hatte keine Farm—was Saadeh am meisten wollte—also informierte ihn einer seiner Freunde, als ein Stück Land seiner Familie in Beit Jala verfügbar wurde. Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten des Bauernhauses, das 1944 erbaut wurde, öffnete das Restaurant seine Türen und wurde von den Einheimischen und von den Expats—darunter auch ausländische Regierungsbeschäftigte, die in Jerusalem ansässig sind—enthusiastisch aufgenommen. Zusätzlich zum Restaurant veranstalten Mazen und seine Mitarbeiter auch Filmabende, Yogaabende und auch Camper, die über Nacht bleiben, sind herzlich willkommen.

Das Hosh Jasmin gehört gerade noch zur „Area C", dem Teil des Westjordanlands, der sich komplett unter israelischer Kontrolle befindet. Die anderen Gegenden sind als „Area A" (größere Städte wie Ramallah und Nablus, unter der Kontrolle der palästinensischen Machthaber) und „Area B" (kleinere Orte, die vereinfacht gesagt unter geteilter israelisch-palästinensischer Kontrolle stehen) bekannt. Mazen erzählte mir, dass die israelischen Verteidigungsstreitkräfte im Mai 2013 ein benachbartes Restaurant zerstört hatten. Er sagte, sie seien auch zu Hosh Jasmin gekommen. Laut Mazen „ist das Gebäude sehr alt und es existierte schon vor Israel, vor der Besetzung und vor allem anderen und deshalb konnten sie nichts machen." Er fügte aber schnell hinzu, dass die Gefahr besteht, wenn Hosh Jasmin dazu baut, dass „die [IDF] nicht nur den Neubau, sondern auch den alten Teil des Gebäudes zerstören. Wir kennen also die Regeln!"

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Meine erste Mahlzeit im Hosh Jasmin startete mit einem eiskalten Bier Taybeh—die erste Mikrobrauerei im Mittleren Osten—auf der Restaurantterrasse mit Blick auf die Olivenhaine und die windigen Wege und Täler. Und es wurde noch besser, als das Essen serviert wurde. Zuerst kam eine Schale Hummus mit Olivenöl und Sumac und bunter, säuerlicher Salat aus Gartensalat, Kresse, Zwiebeln, Tomaten und mit noch mehr Sumac bestreut auf den Tisch.

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Hummus mit Olivenöl und Sumac, das mit Khubz gegessen wird.

Mein Hauptgericht zarb mit Hase, ein palästinensisches Gericht vom Grill, war unfassbar lecker. Es haute mich um. Es wurde in einer aus Alufolie geformten Schale serviert, die mit Karotten, Kartoffeln, Knoblauch und einer scharfen grünen Pepperoni gefüllt war und mit Rosmarin, Kardamom und schwarzen Pfefferkörnern gewürzt. Es war einfach unglaublich. Das Fleisch glitt vom Knochen, das Wurzelgemüse war in den Saft des Fleischs getränkt und alles zusammen ergab am Schalenboden eine Sauce, die süchtig machte. Es war echtes Essen für die Seele.

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Zarb mit Hase, das stundenlang in einem Ofen, der im Erdboden versenkt ist, gekocht wird.

Zarb baut auf auf eine palästinensische kulinarische Tradition auf, die in den Restaurants im Westjordanland eher schwierig zu finden ist. Im Hosh Jasmin wird zarb in einem Ofen unter der Erde—in dem mein Hase für einige Stunden schmorte—über einem Feuer gekocht, das mit Oliven- und Mandelholz gemacht wurde, das sich wiederum auf Asche befindet. Ähnlich wie bei den typisch marokkanischen Tajines, bezieht sich zarb sowohl auf die Zurbereitungsmethode als auch auf das Gericht selbst. Durch die Methode nimmt das Fleisch einen rauchigen Geschmack an, der besonders gut zu Hase passt—dem süßen, flauschigen Tier, das Hosh Jasmin selbst züchtet. Hase wird hier am häufigsten in der palästinensischen Küche gegessen, meist mit m'loukhiyya, einem schleimigen, spinatartigen grünen Mus, das in Teilen Nordafrikas, in den Ländern der Levante und besonders in Ägypten gegessen wird.

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Der Ausblick vom Hosh Jasmin. Ein Gericht aus Brot, Huhn und Zwiebeln, das als musakhan bekannt ist.

Nach dem Mittagessen, stand ich draußen und bewunderte den Ausblick. Als ich meinen Blick nach links wendete, kehrte aber die Realität ein. Trotz seiner idyllischen Pracht befindet sich das Hosh Jasmin an einem geographischen Zwischenraum, einem rauen, klaffenden Loch, wo das Land durch eine große, hässliche, Betonwand verbaut ist, die es von Israel trennt.

Die Landwirtschaft im Westjordanland muss oft mit Komplikationen mit grundlegenden Ressourcen wie Land oder Wasser kämpfen. Obwohl der Bau von nahegelegen Autobahntunnels dafür sorgte, dass eine bereits vorhandene natürliche Wasserquelle umgeleitet werden musste, verfügt das Hosh Jasmin glücklicherweise immer noch über eine verlässliche Wasserzufuhr. Das ermöglicht ihnen, 13 verschiedenen Gemüsearten, darunter Auberginen, Tomaten und grüne Bohnen, anzubauen. Laut Mazen ist das Gemüse „100 Prozent biologisch" und ohne jegliche Chemikalien angebaut, während viele der umliegenden Bauernhöfe ihr Gemüse spritzen. Das Hosh Jasmin hat eigene Olivenbäume, aus denen das leckere Olivenöl hergestellt wird sowie Mandel- und Obstbäume, die Früchte wie Feigen oder Aprikosen tragen. Manche Produkte wie Reis und Getreide müssen gelegentlich von umliegenden Dörfern bezogen werden. Alles in allem schätzt Mazen, stammt ungefähr die Hälfte von dem, was Hosh Jasmin serviert, aus Eigenanbau. Weinherstellung und Arakdestillation stehen in der nahen Zukunft auch auf dem Plan.

Neben zarb werden in der Küche auch traditionelle palästinensische Gerichte wie musakhan zubereitet. Ich verbrachte einen Nachmittag damit, das Gericht gemeinsam mit Alaa Qassas zuzubereiten, einem freundlichen Mitarbeiter des Hosh Jasmin, der im Flüchtlingslager Dheisha in Bethlehem wohnt. Zuerst rieben wir ein Stück tabun—ein Sauerteigbrot—mit einer Paste aus karamellisierten Zwiebeln und Sumac ein und legten einen Hühnerschenkel oben drauf, der in verschiedenen Aromen angekocht wurde. Mit ein bisschen Olivenöl beträufelt schoben wir es dann in einen Steinofen im Freien (der heißt auch tabun), um das Ganze über der starken Hitze des Olivenholzes zu braten. Als wir es wieder herausnahmen, war die Haut des Hühnerschenkels knusprig, die Brotkruste ein bisschen verkohlt und die Zwiebel-Sumac-Mischung glitzerte. Ich aß es mit ein bisschen Joghurt und za'atar als Beilage.

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Ein Teil der Auswahl des Hosh Jasmin.

Später in derselben Nacht stürmte die IDF Beit Jala als Teil der Operation „Brother's Keeper." Am darauffolgenden Tag, bei meinen letzten Besuch im Hosh Jasmin, musste ich mein Taxi zurücklassen und einen geschlossenen Grenzübergang, hinter dem sich das Restaurant befindet, zu Fuß erreichen, vorbei an einem israelischen Soldaten mit einem riesigen Scharfschützengewehr, das direkt auf meinen Weg gerichtet war.