FYI.

This story is over 5 years old.

Ernährung

Vegetarische Köche sollten mit Fleisch kochen

Den Großteil seines Lebens war Howard Vegetarier. Trotzdem stehen in seinem neuesten Lokal Fleischgerichte auf der Karte.

_Der Koch Howard Dubrovsky ist als einer der frühesten Vertreter der Molekularküche im mittlerweile geschlossenen LAB in Toronto bekannt geworden. Dubrovsky fällt aber auch durch etwas anderes auf: Den Großteil seines Lebens war er Vegetarier, und trotzdem stehen _in seinem neuesten Lokal, dem_ Fonda Lola, Fleischgerichte auf der Karte_. Derzeit arbeitet er daran, ein Pub in Londons East End zu eröffnen. Mal abgesehen davon, dass er mit seinem Ansatz sein potentielles Publikum um den fleischfressenden Teil dieser Welt erweitert, verfolgt der Koch mit diesem scheinbaren Widerspruch einen Strategie.

Anzeige

Ich schätze, ich kann mich als Ovolacto-Vegetarier bezeichnen. Ich esse Käse, Eier und Gebäck und werde das auch nie aufgeben. Vor 21 Jahren, als ich 14 war und in Montreal aufwuchs, habe ich beschlossen, auf Fleisch zu verzichten. Damals war nachhaltige Landwirtschaft gerade erst im Kommen und ich war kein Fan der industriellen Landwirtschaft. Deshalb war für mich als Teenager die einzige positive Maßnahme, die ich ergreifen konnte, Vegetarier zu werden.

HowardDubrovsky_profilepic2

Ich begann meine kulinarische Karriere als Bäcker und Konditor, weil ich so am einfachsten Fleisch vermeiden konnte. Irgendwann bekam ich das Bedürfnis, irgendwie ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wo unser Fleisch herkommt, wie es die Umwelt beeinflusst und wie die Tiere behandelt werden. Diese Botschaft zu kommunizieren, wenn man ja kein Fleisch kocht, ist aber ziemlich unnötig, weil man im Grunde vor Bekehrten predigt. Wer ein strikt vegetarisches Restaurant betreibt, hat zwar auch Omnivore und Flexitarier als Gäste, aber die meisten Kunden sind Vegetarier. Man setzt sich also für nichts ein, dass sie nicht ohnehin schon vertreten würden. Deshalb habe ich angefangen, mit Fleisch zu kochen.

So kann ich den Gästen ethisch gezüchtetes Fleisch auf eine nicht-predigende und nicht-vegetarische Art und Weise näher bringen. Ich möchte es den Leuten nicht ständig unter die Nase reiben und Bilder von glücklichen Kühen aufhängen oder gar die Namen der Bauern auf die Karte schreiben. Wenn die Kellner darüber Bescheid wissen, woher das Fleisch kommt, falls ein Gast danach fragt, und wenn man gute Beziehung zu heimischen Bauern aufbaut und sich mit Food-Journalisten unterhält, reicht das für mich aus.

MEHR ZUM THEMA: Rückfällige Vegetarier

Wäre ich erst später im Leben Vegetarier geworden, wäre ich jetzt vielleicht offener, wieder einmal Fleisch zu essen. Aber ich verzichte jetzt schon 21 Jahre darauf und ich glaube, ich wäre nicht mehr ich selbst, wenn ich wieder Fleisch essen würde. Eigentlich will ich damit sagen, dass ich teilweise auch davor Angst habe, nachlässig zu werden. Vielleicht bestelle ich dann Fleisch in einem Restaurant und vergesse zu fragen, woher das Fleisch kommt. Ich kenne nämlich ziemlich viele Köche, die sich wunderbar für ethische, nachhaltige, gesunde und regional gezüchtete oder angebaute Produkte einsetzen, aber trotzdem noch zu McDonald's gehen. Das Risiko, auf einen zweifelhaften Pfad abzurutschen, wenn man die Tür auch nur einen kleinen Spalt öffnet, ist eben ziemlich groß. Sogar die Leute mit den besten Absichten machen manchmal Fehler. Um also dafür zu sorgen, dass mein Verhalten nicht meine Botschaft gefährdet und unglaubwürdig macht, schließe ich diese Möglichkeit einfach komplett aus.

Aufgezeichnet von Karon Liu