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Restaurant Confessionals

Wie ein gemeinsames Restaurant unsere Ehe gerettet hat

„Ich gehe woanders hin, ich kann nicht in ein und demselben Raum mit dir arbeiten“. Geklappt hat es dennoch.

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Was bedeutet es eigentlich für eine Beziehung, gemeinsam mit seinem Partner 17-Stunden-Schichten in einem gemeinsamen Restaurant zu schieben?

Wenn ich nicht angefangen hätte, mit meinem Mann zusammenzuarbeiten, hätten wir uns gar nicht mehr gesehen.

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Ich war damals Krankenschwester, er hatte zusammen mit seinem Vater ein italienisches Restaurant und arbeitete immer ziemlich lange. Ich war natürlich auch auf meine Karriere konzentriert, deshalb war das eine Zeit lang kein wirkliches Problem. Aber irgendwann wollte sein Vater in Rente gehen, und so übernahm mein Mann immer mehr Aufgaben im Restaurant. Meine Schicht begann morgens um sechs, nachmittags hatte ich Feierabend—dann musste er ins Restaurant. Erst kurz bevor ich wieder los musste, kam er von der Arbeit.Dann habe ich immer mal wieder an Sonntagen ausgeholfen, damit wir uns auch mal sehen konnten, doch ich habe schnell gemerkt, dass mir die Arbeit eigentlich ziemlich gefällt.

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In einem Restaurant zu arbeiten ist ein sehr geselliger Job. Meistens trinken wir abends noch einen Wein und viele der Gäste sind zu Freunden geworden. Einige von ihnen kennen unsschon jahrelang und sind sogar zu unserer Hochzeit gekommen. Mittlerweile bin ich 39, aber unsere Beziehung ist immer noch so wie am Anfang, obwohl unsere gemeinsame Arbeit in der Gastronomie natürlich etwas verändert hat: Ich glaube, wir sind dadurch stärker geworden. Wobei wir wahrscheinlich nur so lange durchgehalten haben, weil wir unsere Freizeit getrennt verbringen.

Als mein Schwiegervater aufgehört hatte, übernahm ich mehr Aufgaben. Jetzt bereite ich alles vor, mache die Suppen, Brote, Pizzen, Lasagne, Rippchen und dieDesserts.Gegen 17 Uhr gehe ich nach oben und arbeite mit meinem Mann im Service. Wir hatten auch versucht, die Vorbereitungen zusammen zu machen,aber wir standen uns nur im Weg. Einmal war ich so gereizt und meinte nur: „Ich gehe woanders hin, ich kann nicht in ein und demselben Raum mit dir arbeiten." Als Italiener denkt er immer, er wüsste alles besser, und will mir immeretwas beibringen.

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Einmal war ich so gereizt und meinte nur: „Ich gehe woanders hin, ich kann nicht in ein und demselben Raum mit dir arbeiten."

Heute übernimmt mein Mann das Einkaufen und das Putzen. Er war mal der Küchenchef, kam aber irgendwann mit dem Stress ich mehr klar und wir haben zwei Jungs angelernt. Einer von ihnen war schon bei uns, seitdem er 14 war, mit 25 hat er sich dann zum Küchenchef hochgearbeitet. Als ihn seine Mutter rausgeschmissen hatte, lebte er bei uns. Ich bin echt stolz darauf, dass er nicht hingeschmissen hat und wie weit er gekommen ist. Nachdem wir die obere Etage renoviert hatten, sind sie bei uns eingezogen, aber sie müssen keine Miete zahlen. Sie sind irgendwie unsere Ersatzsöhne,gerade auch weil wir selbst keine Kinder haben.

Schade, dass die Familie meines Mannes die Art, wie wir den Laden führen, eher herablassend betrachtet. Vielleicht wegen unseres Altersunterschieds, das war von Anfang an ein Problem. Ich war 15, als wir uns kennenlernten, er 25. Lange haben sie mich überhaupt nicht respektiert. Ich glaube, sie erwarten auch von uns, weil es ja ein Familienunternehmen ist, dass wir die Nichten und Neffen meines Mannes einstellen. Wenn seine Geschwister vorbeikommen, fühlen sie sich wie zu Hause, gehen einfach hinter die Bar und bedienen sich. Es gab schon oft Situationen, wo ich einfach so sauer war, dass ich einfach gegangen bin und ein paar Mal um den Block gefahren bin, um wieder runterzukommen—besonders wenn mein Mann sich nicht auf meine Seite stellt. Aber ich verstehe ihn auch, es war ja anfangs das Geschäft seines Vaters und das ist es für sie immer noch.

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Auch wenn ich mittlerweile die etwas stressigeren Aufgaben erledige, „wetteifern" wir auch im Service miteinander. Ich habe meine Stammgäste, er hat seine und es macht ihm nichts aus, auch mal auf meine Kosten zu lachen. Neulich sah er, wie ich einer seiner älteren Kundinnen einen Cappuccino machte. „Wie soll ich das denn trinken?", fragte sie mich. Ich hatte keine normale Tasse, sondern aus Versehen eine Zuckerdose genommen, aber er hat nichts gesagt. Die ganze Nacht hat er mich damit aufgezogen. Wenn wir ein bisschen was getrunken haben, wird aus so einer kleinen Neckereiauch mal schnell ein Vorspiel—aber im Restaurant läuft nie was.

Die Leidenschaft ist, glaube ich, deshalb noch da, weil es bei uns zu Hause auch nicht wirklich häuslich ist. Wir verbringen so viel Zeit auf Arbeit, wenn wir nach Hause kommen ist das wie in einem Hotel. Wir haben nie Essen im Haus, ich vergesse eigentlich immer die Milch. Manchmal habeich trotzdem das Gefühl,dass wir wie zwei Fremde sind, weil wir andere Freunde und Hobbys haben. Aber zwei Mal im Jahr machen wir einen langen Urlaub und holen all das wieder nach. Wir haben ausgemacht, dass wir nicht über die Arbeit reden, was am Anfang des Urlaubs ganz gut geht, aber gegen Ende kribbelt es mir dann doch wieder in den Fingern. Im Restaurant bin ich einfach am glücklichsten.

Aufgezeichnet von Kamila Rymajdo.