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Restaurant Confessionals

Geburtstagslieder sind eine Erniedrigung für Kellner – und für alle anderen auch

Kein Beruf, egal wie viel er dir auch abfordert, ist so nah dran am königlichen Hofnarren als der des Kellners, der fröhlich ,Happy Birthday‘ trällert. Es ist einfach beschissen, wenn man jeden Ton verfehlt, während einem eine Gruppe präpubertierender...

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Dieses Mal erzählt uns Kellner Thomas Clarke, wie frustrierend es ist, aus gezwungener Gastfreundlichkeit heraus vollkommen Fremden Geburtstagslieder singen zu müssen.

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An manchen Tagen gebe ich ein ziemlich tristes Bild ab: Mit einem bemitleidenswerten Kuchen in der einen Hand und einer Wunderkerze, die mir die Haut verbrennt, in der anderen Hand singe ich ,Happy Birthday' für einen vollkommen Fremden, den ich vielleicht nicht einmal mag. Und all das, wo ich eigentlich Tausend andere Dinge für andere Gäste tun müsste.

Gut, vielleicht sollte ich froh sein, überhaupt einen Job zu haben oder vielleicht sollte ich voller Stolz alles auf Arbeit geben—oder vielleicht sollte ich auch einfach darauf scheißen. Eines möchte klarstellen: Kein Beruf, egal wie viel er dir auch abfordert, ist so nah dran am königlichen Hofnarren als der des Kellners, der fröhlich ,Happy Birthday' trällert.

Es ist einfach beschissen, wenn man jeden Ton verfehlt, während einem eine Gruppe präpubertierender Mädchen stumm dabei zusieht. Ich verdiene mein Brot also offiziell mit Singen und bin dabei nicht einmal ein professioneller Clown. In meinen jungen Jahren hat mir das vielleicht noch einen gewissen Kick verschafft, gerade auch wenn ich für eine ältere Dame oder ein kleines Kind gesungen habe. Ich bin ja nicht so griesgrämig, dass ich es komplett blöd finde, jemanden wirklich glücklich zu machen.

Das ist genauso unheimlich wie bei einem Drogendealer—und ich habe den Stoff.

Und ich habe deinen Plan auch ziemlich schnell durchschaut: Du willst dich galant und ein bisschen romantisch zeigen, stehst vom Tisch auf und erklärst deinen Freunden, dass du mal auf die Toilette müsstest. Damit sie dir das auch abkaufen, fragst du sie, wo denn das WC sei, dann siehst du mich, wie ich so vor mich hinarbeite und schlenderst zu mir, in der Hoffnung, dass ich schon weiß, was du von mir willst, ohne dass du es ansprechen musst.

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ARTIKEL: Mit einem Sex-Freak in der Restaurantküche

Sobald sich unsere Blicke treffen, bewegst du dich langsam auf mich zu, und gehst deine Worte in Gedanken schonmal durch. Ich weiß natürlich, was du willst und habe schon den Geburtstagskuchen bestellt, weil ich eben gern mal Gespräche belausche. Trotzdem lasse ich dich leise und heimlich erklären, dass es der Geburtstag deines Freundes ist, bis du mir dann die supergeheime Frage zuflüsterst: „Macht ihr was für Geburtstage?" Das ist genauso unheimlich wie bei einem Drogendealer—und ich habe den Stoff.

Das Ganze wird jedoch ziemlich stumpfsinnig, wenn der- oder diejenige überhaupt nicht will, dass ich ,Happy Birthday' singe. Das katapultiert uns beide in eine Situation, in der wir Dinge, die wir nicht tun wollen, gezwungenermaßen tun müssen—ein bisschen wie der schlechteste Sex deines Lebens. Dabei fühle ich mich, als ob sich das ganze Universum über mich schlapp lacht. Als ob Gott persönlich aus dem Himmel herabsteigt, um mich einem sadistischen Grinsen zu fragen, ob ich mein Partyleben der letzten Jahre mittlerweile bereue.

Während einige darüber diskutieren, das Trinkgeld abzuschaffen, wäre ich eher dafür, das Singen abzuschaffen.

Mal ehrlich: Wer über 25 feiert schon gern ein weiteres Lebensjahr?Das erinnert doch nur daran, dass man sich nur noch ein Jahr auf seine Rente zubewegt, die eh eine Utopie ist, weil das ganze Konzept eigentlich überholt ist, insbesondere als Kellner.

Klar, vielleicht mögen einige Menschen es generell, an ihrem Geburtstag mal in die Vollen zu gehen. Aber wenn ich mit meinen 1,90 dir einen Kuchen bringe und dir mit meiner quäkenden Stimme ein behämmertes Lied singe—inklusive Pausen, in denen ich den Text, also zum Beispiel den Namen, vergesse und auf den Einsatz anderer hoffe—ist das bestimmt für dich genauso peinlich wie für mich.

Während einige darüber diskutieren, das Trinkgeld abzuschaffen, wäre ich eher dafür, das Singen abzuschaffen. Iss deinen Kuchen und überlassdas Singen deinen Freunden. Und behandle Kellner mit Respekt. Sie leisten harte Arbeit und haben ihren Job wahrscheinlich mehr als satt.