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Umwelt

Eine Fleischsteuer gegen den Klimawandel?

Fast Food, Süßwaren, Softdrinks: Immer wieder wird versucht, mithilfe von Steuern das Verhalten der Konsumenten zu verändern. Im Fokus ist jetzt rotes Fleisch.
Photo via Flickr user Lucas Richarz

Bis die Menschheit ihre Fleischgelüste künstlich befriedigen kann, ohne dafür Tiere zu töten, wird es wohl noch eine ganze Weile dauern, auch wenn die Wissenschaft fiebrig an Fleischbällchen aus dem Labor forscht. Die Umweltfolgen unseres Fleischkonsums: Allein für ein einziges Steak braucht es 4.000 Liter Wasser.

ARTIKEL: Fleisch und Nachhaltigkeit haben so viel gemeinsam wie Krieg und Frieden

Fleisch verbraucht nicht nur Wasser, sondern auch unglaublich viel Land. Berechnungen zufolge liegt unser Flächen-Fußabdruck beim derzeitigen jährlichen Fleischkonsum bei mehr als 1.000 Quadratmetern pro Person. Und damit nicht genug: In der Tierhaltung, insbesondere bei Wiederkäuern, entstehen unglaubliche Mengen an Treibhausgasemissionen, hier vor allem Lachgas und Methan. Das ging einmal sogar so weit, dass im hessischen Rasdorf ein Stall in die Luft geflogen ist, bloß weil die Kühe taten, was Kühe meist tun—verdauen.Insgesamt ist die landwirtschaftliche Produktion für bis zu 14 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich.

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In Anbetracht dieser Umweltbedrohung fordert nun auch die Wissenschaft zusehends, rotes Fleisch höher zu besteuern. Eine Untersuchung, die bei BMC Public Health veröffentlicht wurde, hat sich einmal genauer angeschaut, welchen positiven Einfluss die Einführung einer „CO₂-Steuer" auf umweltschädliche Lebensmittel haben könnte. Am Beispiel Großbritannien haben die Forscher simuliert, welche Auswirkungen verschiedene Steuersätze haben könnten. Wir haben uns mit einem der Verantwortlichen, Dr. Adam Briggs, unterhalten, der an der Oxford University im Bereich öffentliche Gesundheit forscht und er erklärt uns, wie man mit einer Fleischsteuer gegen den Klimawandel ankämpfen kann.

MUNCHIES: Dr. Briggs, wie könnte eine CO₂-Steuer, wie Sie sie vorschlagen, das Verbraucherverhalten beeinflussen? Dr. Adam Briggs: Unseren Schätzungen zufolge würde dadurch der Preis für Rindfleisch um 2,80 Pfund Sterling pro Kilogramm [circa 3,60 Euro] steigen, das heißt also um 5 bis 45 Prozent, je nachdem, welches Stück vom Tier man in welcher Qualität kauft. Das wiederum würde zu einem 20 Prozent geringerem Fleischkonsum führen. Allerdings würde gleichzeitig, so vermuten wir, der Konsum von Schweine- oder Hühnerfleisch um zehn bis zwölf Prozent steigen.

Wer rotes Fleisch isst, macht das auch gern, egal wie viel es kostet. Das ist wie beim Rauchen oder Trinken. Glauben Sie, dass eine solche Form der Abschreckung über den Preis reichen würde, um Steak- und Burgerfans vom Gegenteil zu überzeugen? Ja. Der Preis ist das entscheidendste Argument beim Einkauf. Wir wissen ja bereits, dass durch Preissteigerung weniger geraucht oder getrunken wird, das Gleiche gilt auch für Lebensmittel. Wir wollen nicht, dass jeder zum Vegetarier wird. Es geht hier vielmehr um eine schrittweise Veränderung des Konsumverhaltens der Menschen. Wenn nur genug Leute ihre Portionen etwas verringern würden oder rotes Fleisch durch weißes Fleisch ersetzen würden, dann hätte das absolut positive Auswirkungen auf das Klima.

Wie hoch müsste der ideale Steuersatz für diese Produkte sein? Das ist schwer zu sagen. Für den Steuersatz in unserer Untersuchung haben wir uns die gesellschaftlichen Kosten der CO₂-Emissionen angeguckt, also was es die Allgemeinheit kostet, mit den Neben- und Auswirkungen der Treibhausgasemissionen wie Luftverschmutzung, veränderten Krankheitsbildern, neuen Wetterphänomenen fertig zu werden. Das haben wir dann auf die Produkte mit höheren Emissionswerte draufgeschlagen.

Welchen Einfluss kann Ihren Berechnungen zufolge eine solche Steuer auf die Umwelt haben? Dadurch können die Emissionen um bis zu 18.000 Kilotonnen reduziert werden, das entspricht 80.000 Flügen mit einer Boeing 747 zwischen London und New York. Außerdem gäbe es dadurch mehr Steuereinnahmen und auch die Gesundheit würde sich verbessern. Was den idealen Steuersatz betrifft, das müssen Politiker und Klimaforscher bestimmen. Ich glaube, dass man eine Preisstruktur braucht, die eine Erderwärmung um mehr als 2° C verhindert, wie das ja auch beim Klimagipfel in Paris beschlossen wurde. Aber ich weiß nicht, wie hoch genau der Preis sein müsste. Aus den Erfahrungen mit der Softdrink-Steuer hat sich gezeigt, dass eine Verhaltensänderung ab einer Preissteigerung von 20 Prozent eintritt. So ist das auch bei unserem Steuersatz.

Nun beschwert sich ja jeder, dass die Steuern schon viel zu hoch seien. Wie kann man die Leute davon überzeugen, dass Ihr Vorschlag auch in ihrem Interesse liegt? Ich denke, dass die Leute vielleicht so zumindest verstehen, dass nicht alle Nahrungsmittel die gleichen Auswirkungen auf unseren Planeten haben, und dass schon eine kleine Veränderung einen Beitrag leisten kann und vielleicht auch die gesündere Wahl ist. Damit aber wirklich eine breite Zustimmung entstehen kann, braucht es politischen Willen und die gemeinsame Einsicht, dass es schwerwiegende wirtschaftliche wie auch gesundheitliche Folgen haben wird, wenn wir jetzt nicht handeln. Wie das gelingen kann? Ich weiß es nicht. Wir hoffen aber, dass unser Beitrag die Diskussion anregen kann.

Vielen Dank für das Gespräch, Dr. Briggs.