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Maroni

„Heiße Maroni!“ Die Geschichte eines ehemaligen Grundnahrungsmittels

Im Winter in der Schweiz und Österreich schießen an allen möglichen Verkehrsknotenpunkten plötzlich kleine, dampfende Stände aus dem Boden, aus denen eingemummte Männer lauthals „Heiße Maroni! Heiße Maroni!“ in die Straßen schreien.

Im Winter in der Schweiz und Österreich schießen an allen möglichen Verkehrsknotenpunkten plötzlich kleine, dampfende Stände aus dem Boden, aus denen eingemummte Männer lauthals „Heiße Maroni! Heiße Maroni!" in die Straßen schreien.

Maroni ist der im Schweizerischen und Österreichischen gängige Begriff für Edel- oder Esskastanien. Für die meisten von uns sind Maroni heute vor allem die perfekten Händewärmer am Weihnachtsmarkt und gehören zur Adventsfolklore wie Christbäume, überteuerter Glühwein oder das Geräusch, das Menschen machen, kurz bevor sie am 24. Dezember unterm Christbaum kollabieren. Doch woher kommen die Maroni? Und woher kommen die dazugehörigen Maronimänner?

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Ursprünglich stammt die Edelkastanie aus Kleinasien. Sie wurde bereits in der griechischen Antike angepflanzt und die Römer haben sie damals im ganzen Römischen Reich und bis nach England verbreitet. Ab dem 11. Jahrhundert hat sich vor allem in Gebieten, in denen kein Getreide angebaut werden konnte, die Kastanie weiter ausgebreitet und war bis ins 20. Jahrhundert in den Bergregionen Südeuropas in ländlichen Regionen das Hauptnahrungsmittel. Dort verloren Maroni an Bedeutung, als es sich die Bevölkerung leisten konnte, ihren Grundstock an Nahrungsmitteln zu kaufen. Auch im italienischsprachigen Teil der Schweiz hatte die Edelkastanie als Grundnahrungsmittel einen hohen Stellenwert. Sie wurden geröstet, gekocht und zum Backen verwendet. Der Name selbst kommt vom italienischen „marrone" (dt. braun). Selbst der Berufszweig „Marronai", also Kastanienbrater, soll seinen Ursprung in der Leventina haben. In den Tälern der Region erzählt man sich, dass die Maronibrater aus der Not zu sogenannten Fahrenden wurden und auch Frauen und Kinder Maroni sammeln mussten, um sie in reicheren Gegenden zu verkaufen. Die Männer zogen von November bis kurz vor Ostern weg aus dem Tessin, um Maroni zu verkaufen und so den Lebensunterhalt für ihre Familien zu stemmen.

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Doch wie sieht es heute mit der alten Tradition aus—und wie sehr hat sich diese seither gewandelt? In Zürich konnte ich einen der Maronibrater mitten im Getümmel beim Braten stören und ihm einige Fragen stellen:

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MUNCHIES: Bist du ein Fahrender aus dem Tessin?

Marronai: Nein, ich komme aus Kroatien. Ich kann leider nicht einmal ein Wort Italienisch, aber ich habe gehört, dass die Maroni da fest in der Tradition verwurzelt sind. Und nein, ich habe eine Wohnung hier in Zürich. Was sind Fahrende?

Ich meinte, ob du im Wohnwagen durch die Schweiz reist, Maroni verkaufst und deine Familie damit finanzierst?

Ich schicke jeden Monat Geld nach Hause, so wie viele meiner Landsmänner. Aber ich bin niemand, der umherzieht, nein.

Woher stammen deine Maroni?

Aus der Schweiz. Ich beziehe sie bei einem Großhändler, der die Früchte aus dem Tessin einkauft. Dieses Jahr war eine besonders gute Ernte und wir haben einen niedrigen Kilopreis im Einkauf.

Verkaufst du deine Maroni vor allem an Touristen oder an Schweizer?

An diesem Standort sind es vor allem Schweizer, die unterwegs nach Hause sind und Hunger haben. Viele Mütter mit Kindern, die etwas zu knabbern suchen oder sie einfach ruhigstellen wollen. Touristen gibt es immer, aber sie sind oft skeptisch, was Maroni anbelangt. Ihnen fehlt die Sauce dazu, es sei zu trocken.

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Schade, dass unsere Traditionen irgendwann nur noch den Status einer saisonalen Delikatesse erreichen und nicht mehr wie früher als Grundnahrungsmittel verwendet werden. Um dem entgegenzuwirken, habe ich für meine WG Maronimehl-Crepes gekocht, die in Zukunft öfter auf den Tisch kommen werden. Also, wieso nicht auch außerhalb des Winters auf Maroni setzen und diese Maronimehl-Crêpes backen?

Hier gehts zum Rezept für Maroni-Crêpes mit Kastaniencrème.