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Käse

Wenn sich Käsehändler treffen, bleibt kein Auge trocken

Jedes Jahr versammeln sich meine kreativen Käse-Kollegen zu einem netten Stelldichein bei heiteren Abschneide-Challenges und Ratespielen und jedes Jahr endet die Veranstaltung in einem großen Besäufnis.
Alle Fotos: C. Bay Millin.

Wir Käsehändler haben uns Konsum in Großbuchstaben auf die Fahnen geschrieben. Denn fest steht: Wir lieben die Leckereien und Laster des Lebens: gutes Essen, leckere Getränke, bewusstseinsverändernde Substanzen und animalisches Balzverhalten.

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Raclette in der Zubereitung. Alle Fotos von C. Bay Millin. So sehen Sieger aus! Cheese Champion Emily Acosta in Jubelpose.

Wir sind die sinnlichen Vertreter. Wir ergötzen uns am würzigen Gestank einer Käserinde. Wir schließen die Augen, wenn wir Tomme-Käse aus Schafsmilch auf unserer Zunge zergehen lassen. Mit einem guten Stück Käse in der Hand fühlen wir uns dem Himmel ganz nah. Du siehst, Käse ist unser Geheimrezept für ein glückliches Leben, auch wenn unsere Synapsen manchmal unter Überstimulation leiden. Denn unsere Sinneszellen haben nie Feierabend. Und obwohl die Welt des Käses nicht bar einer eigenen kleinen Community ist, sind Events, wo wir Käseliebhaber zusammenkommen und uns so richtig zum Appenzeller-Affen machen können, doch rar gesät.

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Vor ein paar Jahren kam ein sagenumwobener Zeitgenosse namens Adam Moskowitz auf die Idee, eine Party zu veranstalten, die uns hedonistische Käsejünger mit Glanz und Gloria zelebrieren sollte. Was als Ausrede begann, sich mal—ausnahmsweise!—richtig einen anzuklingeln und mit seinesgleichen heftig zu poussieren, hat sich mittlerweile zu einem recht respektablen Ereignis, dem Cheesemonger Invitational, entwickelt. Der Clou: Hier müssen wir nicht mit prüfenden Blicken und abwertenden Kommentaren von unseren herz- und käselosen Mitbürgern rechnen.

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Ein Schwein, das zeitlebens auf den saftigsten und grünsten Wiesen zu Hause war

Was genau passiert also bei diesen ritualhaften Feierlichkeiten? Zuallererst findet ein Wettbewerb statt. Denn die meisten meiner Käsekumpels leiden unter recht zerbrechlichen Egos und brauchen eben manchmal ihre seelischen Steicheleinheiten—und was könnte da besser sein, als sein ramponiertes Selbstbewusstsein durch ein paar schnelle, wohlfeile Siege aufzubauen?

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müffelnder Käse

Die Spiele beginnen mit einem Multiple-Choice-Test über äußerst sinnlose Fakten, die mit der wahren Welt des Käseverkäufers nur sehr wenig zu tun haben. So eine Art Statistik-1-Seminar, nur in der Käsevariante. (Wie viele Euter hat ein Schaf? Keine Ahnung? Na ja, woher sollst du—oder wir—das auch wissen?) Nach der Prüfung, die dich aufgrund der unmöglichen Fragen ziemlich auf die Palme bringt und dich (fast) „Betrug!" aufschreien lässt, kommt der voyeuristisch-sinnliche Part.

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Die Rede ist vom „perfekten Biss", bei dem ein jeder Teilnehmer ein eigenes Amuse-Gueule kreieren muss, das aus Käse sowie zwei weiteren Ingredienzen zu bestehen hat. Denk einfach an ein paar Streifen von Gorgonzola piccante auf kandiertem Bacon mit einem Schuss Dulce de leche—oder so was in die Richtung.

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Dann kommt der Schneide-Showdown, bei dem die tosende Menge die Teilnehmer ehrfurchtsvoll dabei beobachtet, wie sie zuvor festgelegte Gewichtsvorgaben auf den Punkt genau (oder auch nicht) vom Käserad abschneiden. Gefolgt wird das Ganze von der Verkaufskunst-Challenge. Hierbei müssen ausgewählte Personen begriffsstutzige Kunden spielen, die mit einem Arsenal an besonders dämlichen Fragen aufwarten und die potentiellen Sales-Götter damit zur Weißglut bringen.

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Nachdem der lästige Teil der Abendveranstaltung endlich vorbei ist und die Streber sich in den Mittelpunkt drängen durften, kommt Stimmung in die Bude und der Käse-Rave nimmt seinen Lauf. Die Lichter gehen aus, Schnapspullen kommen zum Vorschein, und ich garantiere dir, dass du jetzt mit so einigen Käsekumpels und -kumpelinen deinen Spaß haben und noch ganz andere Sinne auf Trab bringen kannst.

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Käsehersteller und -verkäufer trinken einfach gerne. Vor allem dann, wenn wir in Gesellschaft von Seelenverwandten sind, die genau verstehen, wie wir so ticken. Und auch wenn wir uns im Zuge von Molkereibesuchen mit Kollegen austauschen und auch ein bisschen fachsimpeln können, ist das doch nicht das gleiche wie das gute alte Cheesemonger Invitational. Denn hier geht es fast so zu wie auf einem Abiball, auf dem du dich zuerst im feinsten Zwirn präsentierst, um dich am Ende gnadenlos abzuschießen.

Alle Fotos: C. Bay Millin.