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Restaurant Confessionals

Meine Erfahrungen als Juror eines Fernsehkochwettbewerbs

Juroren für Fernsehkochwettbewerbe in der Castingphase sind wie Wächter, die die Starköche der Shows vor dem Übelsten bewahren. Und dabei erleben sie ganz schön viel.

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Dieses Mal erzählt uns ein Juror bei Castings einer beliebten Kochshow im Fernsehen von seinen Erlebnissen.

Wenn ihr begeistert Kochsendungen wie Gordon Ramsays MasterChef oder Anthony Bourdains kürzlich abgesetzte Show The Taste anschaut, dann ist euch bestimmt schon einmal beim Anblick der kulinarischen Kreationen das Wasser im Mund zusammengelaufen und ihr habt euch gewünscht, in der Position der Hosts zu sein, die die Gerichte probieren dürfen. Bevor aber die Blanquette de veau nur irgendwo in die Nähe von Gordons Mund kommt, muss sie sich zuerst den Weg an einem sehr kritischen Wächter vorbeibahnen: an mir.

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Ich koste von Beruf Essen als Juror für Kochshows während der Castingphase. Ich probiere Gutes, Schlechtes und Widerliches. Wenn die Finalisten für die Show feststehen, dürfen nur noch jene für die Fernsehjuroren kochen, die mir keine Lebensmittelvergiftung beschert haben. Wir reisen durchs ganze Land und probieren verschiedenste Gerichte von Hobbyköchen und Küchenchefs mit unglaublich vielfältigen Fähigkeiten und Besonderheiten.

Bevor ihr wegen meines Traumjobs grün vor Neid werdet, lasst euch sagen: Immer wieder selbst grün im Gesicht zu werden—und zwar wegen einer Lebensmittelvergiftung—, ist das Berufsrisiko meines „Traumjobs".

Manchmal spielen wir Schere-Stein-Papier, um zu entscheiden, wer die rohen Austern oder den Eiersalat probieren muss, der sechs Stunden lang von Upstate New York in einem beschlagenen Behälter hierher transportiert wurde.

Zum Glück habe ich keine Lebensmittelallergien. Manchmal mache ich Scherze darüber, dass ich nur deswegen angestellt wurde. Das stimmt aber natürlich nicht. Ich verfüge über ein sehr breites kulinarisches Wissen und mein Gaumen ist hochentwickelt und gut ausgebildet. Das liegt teilweise an meinem tagtäglichen Job bei einem angesehenen Food-Magazin in Los Angeles, aber auch an meiner Mutter, die mir von klein auf anspruchsvolle Gerichte zu essen gab. Deshalb kann ich schlecht zubereitetes und falsch gelagertes Essen überhaupt nicht ausstehen.

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Wir Casting-Juroren haben einen makaberen Humor. Manchmal spielen wir Schere-Stein-Papier, um zu entscheiden, wer die rohen Austern oder den Eiersalat probieren muss, der sechs Stunden lang von Upstate New York in einem beschlagenen Behälter hierher transportiert wurde. Meistens bin das dann ich und so habe ich meinen Spitznamen „Eiserner Magen" bekommen. Zum Glück bin ich bisher vor Lebensmittelvergiftungen verschont geblieben.

Krank geworden bin ich also noch nie, aber dass ich während des Castings Essen wieder ausgekotzt habe, das ist schon mal vorgekommen.

Da manche der Castings offen sind, können wir nie genau sagen, wie viele Kandidaten auftauchen, ergo wie viele Teller wir probieren müssen. Deshalb ist es wichtig, sich seine Kräfte einzuteilen. Wie beim Ironman geht es in diesem Rennen um Ausdauer. Das musste ich auf die harte Tour lernen.

Reihern—das ist der Preis, den man für diesen Job bezahlt.

Als ich anfing, hatte ich keine Strategie, wenn ich ein Gericht probierte. Wenn es gut aussah, nahm ich einen großzügigen Bissen. Wenn es gut schmeckte, nahm ich noch einen zweiten und dritten. Ich aß einfach so, wie ich normalerweise auch aß—was keine gute Idee war, wenn man sich die scheinbar unendlich lange Schlange vor dem Hotel in Manhattan, wo das Casting stattfand, anschaute. Nach einer Stunde war ich komplett satt, das Casting sollte aber noch weitere sieben dauern. Ich hatte keine Wahl. Wenn ich meinen Job behalten wollte, musste ich mich an den hunderten Wartenden vorbeischleichen, in die Toiletten hinein und mir die Seele aus dem Leib kotzen … und zwar so still wie möglich. Und genau das machte ich auch. Zwei Mal pro Tag steckte ich mir den Finger in den Hals. Reihern—das ist der Preis, den man für diesen Job bezahlt.

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Manchmal war aber das Essen nicht die einzige Bedrohung, sondern die Castingteilnehmer selbst. Ich lernte schnell, professionellen Köchen nicht unverblümt zu sagen, wenn ich ihr Essen nicht gut oder schlecht ausgeführt fand.

Ein ganz bestimmter dieser „professionellen Köche" kam zum Casting und fing in den drei Minuten, die die Kandidaten zum Anrichten ihrer Speisen haben, ein Schinken-Käse-Sandwich zu machen. Ich sah ihm ganz genau zu, wie er Brot aus einer Packung aus dem Supermarkt holte, Scheiben Schinken und Käse aus dem Papier, massenproduzierte Mayonnaise und Senf auf das Brot schmierte, das Sandwich dann diagonal halbierte und eine Hälfte schräg über die andere platzierte.

Der Typ kochte nicht und hatte auch keine seiner Zutaten selbst gemacht, er machte einfach nur ein Sandwich. Als ich ihn darauf hinwies, erwiderte er, dass er damit zeigen wollte, dass man gutes Essen durch gute Zutaten erreicht. „Ja, aber das hier ist ein Kochwettbewerb. Sie haben nichts gekocht", antwortete ich. Er drehte komplett durch. Ich dankte ihm in sarkastischem Ton für seine Zeit, während er weiter durchdrehte und keine Fragen beantwortete, sondern mich weiter attackierte. „Dieser Typ ist ein Arschloch. Was meint er eigentlich, wer er ist, mein Kochkönnen infrage zu stellen?!" Manchmal haben wir Zivilpolizisten als Sicherheitskräfte angestellt. Solche Leute sind der Grund dafür.

Ich habe von mehr als nur ein paar Kandidaten gehört, dass sie Paula Deen bewundern und eines Tages so sein wollen wie sie. All diese Möchtegern-Paula-Deens haben es geschafft, mir meinen Geschmackssinn wegzublasen und nur eine Schicht Südstaatenfettt auf meiner Zunge zu hinterlassen.

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Ich fühle mich sehr privilegiert, dass ich das Land buchstäblich mit meinem Mund erleben darf. Was die Küche anbelangt, werden die meisten Metropolen immer vielfältiger. Gutes vietnamesisches oder mexikanisches Essen bekommt man ja mittlerweile schon fast überall.

Und dann gibt es diese Städte, in denen 90 Prozent der Bewohner auf die gleiche Art kochen. Wie Nashville. Ich möchte die Stadt oder seine freundlichen Bewohner nicht in den Dreck ziehen. Beim Open Call war fast alles auf irgendeine Weise frittiert—meistens mit Öl, Butter oder Crisco-Bratfett, und manchmal auch mit allem. Ich habe von mehr als nur ein paar Kandidaten gehört, dass sie Paula Deen bewundern und eines Tages so sein wollen wie sie. All diese Möchtegern-Paula-Deens haben es geschafft, mir meinen Geschmackssinn wegzublasen und nur eine Schicht Südstaatenfettt auf meiner Zunge zu hinterlassen. Ich fiel dem Kandidaten förmlich um den Hals, der mir danach einen schlappen Salat auftischte.

Trotz der Tücken ist für mich mit meinem Job als Juror für Fernsehkochwettbewerbe ein Traum in Erfüllung gegangen. Ich bin ein großer Fan von Kochsendungen und so habe ich die Chance, Teil dieser Magie sein. Ich treffe Leute aus allen Lebenslagen, die ihre Lieblingsspeisen und Familienrezepte mit mir teilen. Mit jedem Casting lerne ich mehr über Essen. Ich erfahre, wie die Leute ihre Leidenschaft für das Kochen entdeckt haben, wie sie als Kinder selbst kochen mussten, um zu überleben, weil keiner für sie da war, wie sie ihre Ernährung aufgrund von gesundheitlichen Problemen wie Krebs oder Diabetes umstellen mussten oder wie sie ihr ganz besonderes Schlüsselerlebnis hatten, das sie dazu brachte, ihren normalen Job hinzuschmeißen und sich dem Kochen zu widmen.

Wenn ich die Kandidaten frage, wieso sie so gerne kochen, dann lautet die Antwort meistens das Lächeln auf den Gesichtern der Leute, wenn sie ihr Essen probieren. Es geht um den Akt, etwas zu geben, das gut ist und das mit Liebe gemacht wurde.

Wenn ich in mich gehe und darüber nachdenke, was mich wirklich für diesen Job qualifiziert, dann ist es nicht meine Fähigkeit, etwas zu schmecken, sondern meine Fähigkeit, zuzuhören. Mit den Ohren essen. Probiert es mal.