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Qualität

Weshalb winzige Portionen in Restaurants scheißteuer sind

„Die Leute beschweren sich über die Preise in unserem Restaurant, weil sie ganz andere Erwartungen und Ansprüche haben." Abgezockt wird man allerdings meist woanders.

Ich weiß, dass kein Kunde 40 Pfund für ein Degustationsmenü bezahlen will.

Wenn man sich die Zutatenkosten anschaut, sieht es so aus, als würden wir das Dreifache an Gewinn einfahren, klar, aber nachdem man all die Kosten für das Personal und die Miete und so weiter abgezogen hat, bleibt nicht viel übrig. Viele Restaurantbesitzer können nicht mal ihre gesamten Kosten decken.

Die Leute beschweren sich über die Preise im Sager + Wilde [Anm. d. Red.: das Restaurant des Autors im Londoner Stadtteil Bethnal Green], weil sie ganz andere Erwartungen und Ansprüche haben. Wir bieten ihnen etwas an, von dem wir voll überzeugt sind: Wir arbeiten ausschließlich mit Zutaten aus London und der Umgebung.

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Wir arbeiten mit Leuten zusammen, an die die großen Märkte gar nicht herantreten, weil sie nicht genug produzieren. Außerdem achten wir extrem darauf, dass wir saisonale Zutaten verwenden, und wir verändern unsere Karte jede Woche. Ich finde es nicht OK, Basilikum zu kaufen, das aus einem riesigen Gewächshaus in Spanien kommt—die Transportkosten und der CO2-Fußabdruck sind einfach nicht in Ordnung.

Allerdings ist es schwer, die Leute davon zu überzeugen, wenn man bei McDonald's ein Menü für nur vier Pfund bekommt.

In den letzten fünf Jahren, so kommt es mir vor, waren neben der Edelgastronomie nur noch Junk Food und fettiges Zeug richtig erfolgreich. Als wir 2013 eröffnet haben, kam eine neue Food Welle aus den USA nach England: Premium Junk Food. Und das mit ziemlich großen Gewinnspannen: Klar, eine Pizza mit Sauerteigboden kostet nur acht Pfund, weil die Zutaten 1,20 Pfund kosten. Das ist eine Gewinnspanne von fast 90 Prozent, wir kommen gerade mal auf 60.

Die Sprache spielt auch eine große Rolle. Wenn die Leute dein Produkt kennen, verkauft es sich besser. Burger und Milchshakes oder diesen ganzen anderen Mist, das verstehen die Leute.

Jetzt sagen alle, dass türkische Meze und alles vom Mangal-Grill das nächste große Ding sein werden. Egal, ob der Döner von einem Top-Koch oder von der Dönerbude nebenan gemacht wird, die Herstellung kostet immer wenig.

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Restaurantketten wie Pret a Manger stellen künstliche Steinwände mit ein paar Glühbirnen auf und füllen mit der schicken Deko sofort ihre Läden. Es ist überall das gleiche Schema.

Es ist wie beim Parfum. Bis vor einem Jahr habe ich so ein Zeug nie benutzt. Dann habe ich mir drei Düfte gekauft, die ich alle vorher probiert habe. Ich bin in so ein Luxus-Kaufhaus in London gegangen und wollte nicht irgendeinen Duft kaufen, den man in jedem x-beliebigen Laden um die Ecke bekommt. Es sollte etwas Besonderes sein. Das hat mich dann noch mal 20 Pfund extra gekostet, aber ich muss davon ja nicht so viel auftragen und es hält auch länger als die ganzen beschissenen Parfums. Den meisten aber reicht es, wenn sie das nächstbeste Zeug kaufen und wie jeder andere riechen.

Und genauso ist es beim Essen.

Klar, eine Pizza mit Sauerteigboden kostet nur acht Pfund, weil die Zutaten 1,20 Pfund kosten. Das ist eine Gewinnspanne von fast 90 Prozent.

Ich will niemanden verurteilen. Die Leute können nicht wissen, wie sie bei billigem Essen verarscht werden. Mir bleibt nur, weiter ehrlich zu sagen, was wir tun und warum es das Geld und ein wenig Anerkennung wert ist.

Jeder müht sich ab, das gehört schon fast zu dieser Stadt dazu. Damit ich letzten Monat etwas Geld zur Seite legen konnte, habe ich wieder angefangen, auch zu Hause zu kochen. Für ein halbwegs anständiges Essen gibt man dann immer noch 15 bis 20 Pfund aus. Außerdem geht noch ein Zehner für eine Stunde Zeit drauf (meiner Meinung nach ist Zeit Geld), denn man muss erst mal einkaufen gehen und danach noch alles abwaschen. Sagen wir also anderthalb Stunden, das summiert sich dann schon. Aber ich will ja nicht mit 38 herzkrank sein.

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ARTIKEL: In deinem Burger sind Rattenkot, menschliche DNA und Krankheitserreger

Hoffentlich entwickeln mehr und mehr Leute eine bessere Einstellung zum Essen. Wenn sie sich erst mal bewusst werden, was für einen CO2-Fußabdruck Lebensmittel haben und wie industriell verarbeitete Kohlenhydrate—bzw. alle industriell verarbeiteten Produkte—den Körper beeinflussen, wachen sie vielleicht auf.

Als Restaurant muss man auch mal Haltung beziehen und offen sagen: „Bei uns gibt es keine verarbeiteten Produkte, keine Zutaten außerhalb der Saison oder aus dem Ausland." Davon sind wir als Restaurant überzeugt. Im Gegenzug akzeptiere ich, dass wir Kundschaft verlieren und uns langfristig mehr anstrengen müssen—dafür aber sind wir aufrichtig.

Wer es jedem Kunden recht machen will, muss gegen größere Konkurrenz antreten. Viel Glück im Kampf gegen McDonald's.

Aufgezeichnet von Daisy Meager.

Michael Sager ist vor zehn Jahren aus der Schweiz nach London gezogen. Im August 2013 hat er dort die Weinbar Sager + Wilde eröffnet und ein Jahr später das gleichnamige Restaurant. Er kocht ausschließlich mit saisonalen Zutaten und ist bekannt für seine Auswahl an weniger bekannten Weinen aus der ganzen Welt.