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Essen

In Japan essen sie Sushi? Du hast keinen blassen Schimmer

Wir glauben, nur weil wir halbwegs gut mit Stäbchen hantieren können und einen Sushi-Kurs besucht haben, hätten wir irgendeine Ahnung von japanischem Essen. Die Gastronomin Motoko will das ändern.

Japanische Küche im Ausland bedeutet vor allem Sushi und Miso-Suppe. Dass Kreationen wie California Rolls und frittierte Riesenröllchen alles andere als authentisch sind, dürfte mittlerweile zu den meisten hervorgedrungen sein. Doch dass Sushi in Japan kaum als normales Gericht wahrgenommen wird, sondern vor allem eine essbare Kunstform, vielleicht weniger.

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Sushi als schneller Lunch in der Mittagspause aus dem Supermarkt-Kühlregal zu fischen wäre für den ernsthaften Esser in Tokio undenkbar. Was also steht in Japan auf dem typischen Mittagstisch? Für die in New York lebende Motoko Watanabe, wie für viele Japaner, waren das japanisches Curry, «Taco Rice» und Burgerpatties mit Reis – kaum etwas, was der gewöhnliche Esser üblicherweise mit japanischer Küche verbinden würde. «Das sind alles Gerichte, die über Händler nach Japan kamen. Kinder lieben zum Beispiel Curry, das gab es mittags in der Schule und alle freuten sich darauf. Taco Rice bekommt man in überall in Japan in Cafés.»erklärt Motoko. Unter dem Namen Yoshoku, zu Deutsch einfach «westliches Essen», wurden Curry, Burger, Tacos einfach dem japanischen Geschmack angepasst: Burgerpatties wurden nicht zwischen zwei labbrigen Brötchenhälften, sondern mit Reis serviert, genauso wie Schnitzel, die in Japan als Katsu bekannt sind.

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Beim beliebten Taco Rice wird die Tex-Mex-Note für das Hack ganz japanisiert und durch Sojasauce, Mirin und Sake ersetzt. Viele dieser Gerichte entstanden wahrscheinlich schon in der Meiji-Periode, als Japans Häfen sich erstmals fremden Händlern öffneten–britische Seefahrer brachten Currypulver mit, Franzosen Croquetten und Demi-Glace-Sauce und Russen ihre Piroshki.

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Doch einen großen Einfluss auf die Küche hatten vor allem auch die US-amerikanischen Militärbasen in Okinawa nach dem zweiten Weltkrieg: Das politische Klima mag zwar immer wieder vergiftet gewesen sein, doch auf kulinarischer Ebene gestaltete sich das Zusammenleben produktiv, und die japanisierten Varianten typisch amerikanischen Fastfoods traten einen Siegeszug über das gesamte Land an.

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Und so gehörten Burgerpatties, Curry und Co. für Motoko zu den Gerichten, die sie ausgerechnet in ihrer neuen Heimat New York am meisten vermisste. Die Lösung: Mit ihrem israelisch-stämmigen Mann Shaul Margulies zusammen, eröffnete sie einfach zwei Restaurants, erst in New York, dann in Berlin, die all das servieren, wonach sie Sehnsucht hat. In Brooklyn, im Café House of Small Wonder gibt es europäisches Frühstück und japanische Hausmannskost, im Restaurant Zenkichi, eine Kreuzung zwischen einem Izakaya und einer Brasserie, wird am Abend Sake getrunken und in Separées auf Bänken sitzend geknutscht.

„Wir wollen die Leute auch irgendwie erziehen. In einem Laden wie Zenkichi würdest du in Japan niemals, niemals Sushi essen."

Sushi gibt es in keinem ihrer Läden: «Wir wollen die Leute auch irgendwie erziehen. In einem Laden wie Zenkichi würdest du in Japan niemals, niemals Sushi essen. Deswegen gibt's das bei uns auch nicht. Und im Café gibt's typische Café-Gerichte aus Japan.» Für das Betreiberpaar steht im Vordergrund, so authentisch wie möglich zu bleiben, worunter sie nicht notwendigerweise traditionelle Gerichte verstehen. Viel mehr sollen sich die Gäste wie in Japan fühlen–und mit einem japanischen Curry, das von britischer Matrosenküche inspiriert ist, geht das eindeutig besser als mit Supermarkt-Sushi.

Fotos: Aida Baghernejad

Lust auf mehr Sushi-Wissen? MUNCHIES ließ sich von einem japanischen Sushi-Meister zeigen, wie man diesen rohen Fisch richtig authentisch isst. Hier kannst du dir das Video anschauen.