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Insekten

Insekten? Nur her damit!

Was in Mexiko schon sein Generationen gemacht wird, war für mich eine komplett neue Erfahrung: Ich habe mich im Morgengrauen, als die Heuschrecken noch schliefen, auf Insektenjagd begeben.

Könnt ihr euch noch daran erinnern, wie Homer den zweiten Gesang der Odyssee begann? Nein, natürlich nicht. Keine Sorge, ich verrate es euch: „Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte, […]". Als Studentin konzentrierte ich mich viel zu sehr auf die Handlung und die Charaktere, als dass mir aufgefallen wäre, dass da noch mehr dahinter stecken könnte als nur eine Zeitangabe.

Ich musste zuerst den großen Teich überqueren, um das zu bemerken. Wer weiß, vielleicht ist der Sonnenaufgang in Mexiko irgendwie rosiger oder vielleicht war ich einfach nur sehr emotional, aber plötzlich verstand ich, wieso der Sonnenaufgang für Homer etwas Göttliches ist.

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Es ist vier Uhr früh in Santo Domingo Yanhuitlán, einem kleinen Dorf in der Nähe von Oaxaca und ich sollte bald auf Insektenjagd gehen.

Insekten zu jagen, ist eine Sache, sie zu essen, aber eine ganz andere. Als ich meinen Freunden davon erzählte, verzog es den meisten beim Gedanken daran das Gesicht und dir vielleicht gerade auch. Der Anthropologe Marvin Harris erklärt: „Wenn man Europäer oder Amerikaner fragt, warum sie keine Insekten essen, lautet die Antwort so gut wie immer: Insekten sind eklig und voller Keime." Ich wollte mich aber nicht allzu sehr von der allgemeinen Meinung beeinflussen lassen, sondern meine eigenen Erfahrungen auf dem Feld machen.

Wir beginnen unsere Jagd im Morgengrauen, weil die chapulines (kleine Heuschrecken) da noch schlafen. Die Sonne steigt langsam am Horizont auf und scheint auf die atemberaubende Landschaft, während wir die chapulines mit unseren bloßen Händen aufsammeln.

Unter der Führung von zwei einheimischen Jungs und ihrer Tante geht die Jagd weiter. Unsere zweite Beute waren Würmer: gusano de mantequilla in verfallenen Bäumen und gusano de maguey in Agaven. Früher waren Insekten das tägliche Brot der Gemeinschaft, heutzutage ist es eine Art alte Tradition und Kinder sehen es als ein Spiel: die zwei Brüder verbrachten früher ganze Nachmittage damit, an genau den Plätzen, an denen wir uns heute befinden, hormigas de miel zu sammeln—Ameisen, die Honig im Bauch tragen.

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Hormigas de miel können roh gegessen werden, mit den Würmern und Heuschrecken sowie auf die Tamales mussten wir bis zum Abend warten. Trotz meiner anfänglichen Abneigung gegen die Tieren, schmeckten sie köstlich und waren wunderbar knusprig.

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Die meisten Leute im Westen sind aber Heuschrecken und anderen Insekten auf ihren Tellern gegenüber ziemlich skeptisch. Harris erklärt sich das so: „Eine Spezies wird entweder verherrlicht oder verabscheut, je nach Nützlichkeit oder Schädlichkeit. Eine hinduistische Kuh, die nicht gegessen wird, gebärt Ochsen und gibt Milch und Dünger. Sie wird verherrlicht. Ein Schwein, das nicht gegessen wird, ist nutzlos—es pflügt nicht das Feld, gibt keine Milch und gewinnt keine Kriege. Es wird verabscheut. Mit Insekten ist es noch schlimmer: […] Sie fressen die Nutzpflanzen auf dem Feld auf, fressen das Essen auf deinem Teller, beißen, stechen, verursachen Juckreiz und saugen dein Blut.[…] Weil wir sie nicht essen, identifizieren wir sie als den Inbegriff des Bösen."

Langsam ändert sich aber die Einstellung des Westens und immer mehr Gerichte wie Wachswurm-Tacos, gebratener Reis mit Mehlwürmern oder mit Schokolade überzogene Heuschrecken stehen auf den verschiedensten Speisekarten. Insekten haben etwas Unbekanntes, etwas Exotisches, und das zieht die Leute an.

Auch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen zieht Insekten als eine neue Nährstoffquelle in Betracht, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Die Organisation schreibt auf ihrer Website: „Essbare Insekten enthalten hochwertiges Eiweiß, Vitamine und Aminosäuren für Menschen. Heuschrecken brauchen sechs Mal weniger Nahrung als Rinder und zwei Mal weniger als Schweine und Hühner, die die gleiche Menge an Eiweiß produzieren."

In der EU gelten Insekten aber eben immer noch als relativ neuartiges Nahrungsmittel und das spiegelt sich auch in der Gesetzgebung wider: Man braucht eine Lizenz, um sie verkaufen zu dürfen.

Meine Hoffnung, dass es chapulines vielleicht schon bald häufiger in Europa gibt, habe ich noch nicht aufgegeben. Sie würden sich so wunderbar als Ersatz für Chips eignen und vielleicht könnte ich diese dämmernde Frühe mit Rosenfingern noch einmal erleben.

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