Wildente rupfen war eine größere Herausforderung als gedacht
Photo by Isabel Rozendaal

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Wildente rupfen war eine größere Herausforderung als gedacht

Ich habe das Herz eines frisch erlegten Elches in den Rocky Mountains zum Frühstück gegessen und habe einem Wildschwein den Hodensack entfernt ohne mit der Wimper zu zucken. Aber Enteninnereien in meinem Wohnzimmer waren eine neue Erfahrung für mich.

Willkommen zu unserer neuen Kolumne Jäger & Sammler, in der wir euch die einfallsreichen—und hungrigen—Leute vorstellen, die ihr Essen in der Natur sammeln. Die Fotografin und Journalistin Isabella Rozendaal meldet sich zurück mit der zweiten Ausgabe ihres Projekts, Isabella Hunts, für das sie Jäger verschiedener Kulturen auf der ganzen Welt begleitet.

Als ich das erste Mal Jäger fotografierte und sie mir einen Teil ihrer Beute anboten, war ich mich nicht ganz sicher, was ich mit dem frisch erlegten Tier anfangen sollte. Ich mochte kein Wild—ich aß lieber eine Schüssel Pho, als Reh. Trotzdem war ich entschlossen, etwas Leckeres daraus zu machen. Ich las Kochbücher aus verschiedenen Kulturen und lernte, dass Wild nicht immer nach den Strümpfen deiner Oma schmecken muss. Es kann so viel mehr als nur Weihnachtsessen.

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Für niederländische Köche, die normalerweise mit konventionellem Fleisch kochen, ist das Kochen mit wilden Vögeln eine Herausforderung: Sie sind so mager, dass man keine modernen Rezepte verwenden kann. Um dieses Problem zu vermeiden, beschloss ich, Würste daraus zu machen. Wildpuristen würden vermutlich davor zurückschrecken diesen edlen Vogel zu so einem unreinen Produkt zu verarbeiten, weil man das Fleisch mit leckeren Schweinefett mischen muss. Ich bin aber keine Puristin und ich liebe nichts mehr, als eine gute Wurst.

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Foto der Autorin

Sogar als ich noch ein Kind und praktizierende „Vegetarierin" war, war meine Lieblingsspeise Salami.

Würste herstellen ist im Grunde ganz einfach, vorausgesetzt man besitzt ein wichtiges Gerät: einen Wurstfüller. Diese Vorrichtung zu säubern, ist die größte Herausforderung. Wobei, nein, das stimmt nicht: Die Enten zu säubern ist—bei weitem—das Schwierigste. Wild zubereiten bedarf immer einer gewissen Planung.

Zuerst muss ich den Metzger anrufen, um meine Zutaten zu bestellen. Die Frau am Telefon scheint mir nicht zuzuhören, bis ich nach ein paar Metern Innereien frage. „Oh, ja gerne. Wir sorgen dafür, dass es bald zur Abholung bereit ist", antwortet sie. Je komplizierter und spezieller deine Anfragen sind, desto mehr wird dich der Metzger mögen.

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Foto von Sandder

Am Tag bevor ich die Würste herstelle, säubere ich den Vogel. Ich habe Jägern schon oft dabei zugesehen, aber es selbst zu machen, ist eine andere Sache. Zum Glück gibt es YouTube. Man kann lernen, wie man alles vom Biber bis zum Bären säubert. Wenn man den Jägern beim Schlachten beobachtet, sieht alles so einfach aus, aber diese flüssigen Bewegungen kommen erst nach jahrelanger Übung. Nichtsdestotrotz faszinieren mich Operationen, Blut und Eingeweide schon seit ich denken kann, also freue ich mich darauf.

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Ich fange an, die Brust und den Bauch der Ente zu rupfen. Mit den Federn könnte man ein ganzes Kissen füllen. Dann mache ich den ersten Schnitt. So weit, so gut, denk ich mir. Die Brust lässt sich leicht entfernen, ich kann sie in einem unversehrten Stück herausnehmen, genau wie im Video. Die Schenkel sind aber eine andere Geschichte. Die Arbeit mit dem Messer um die Gelenke herum ist ziemlich kompliziert, wenn man sie ohne zu viele Knochensplitter von der Haut entfernen möchte. Als das geschafft ist, nehme ich die Organe heraus und inspiziere sie. Sie sehen perfekt aus, aber vom Geruch, der aus der Magenhöhle hervordringt, zittern mir die Knie und es verschlägt mir den Appetit. Ich gewöhne mich daran, aber mein Freund zieht sofort die Tür mit einem mürrischen Gesichtsausdruck zu.

REZEPT: Wildentenwurst mit Orange und Fenchel

Mit der Brust und den Schenkeln habe ich das nötige Fleisch für meine Würste. Ich möchte aber so viel vom Tier wie möglich verwenden, also bearbeite ich den restlichen Körper, aus dem ich eine Brühe kochen werde. Nach einem langen Kampf mit Innereien und Haut sind meine Arme mit Kratzern von Knochensplittern übersät, aber ich habe es geschafft. Auf meinem Schneidebrett liegt das Federkleid der Wildente, ganz verdreht mit geschlossenen Augen. Rechts davon liegen die Brüste und sehen so perfekt wie ein Stück Fleisch vom Metzger aus.

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Foto von der Autorin

Die zweite Ente ist ganz offensichtlich schon älter. Ihre Brust ist fester und die Konsistenz weniger fein. Bei diesem Anblick bin ich froh, dass ich mich entschlossen habe, Würste daraus zu machen. Das ist kein Produkt für den Supermarkt und man kann nicht wirklich sagen, was man daraus machen kann, bis man das Tier gesäubert hat. Ich wiederhole die Prozedur von vorhin bis das Fleisch und die Knochen schön voneinander getrennt sind. Mit meiner blutigen Faust wische ich mir über die verschwitze Stirn und seufze laut.

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Mir ist absolut nicht mehr nach Ente.

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Foto von der Autorin

Das Komische daran ist, dass ich immer den Gedanken hegte, dass mich das Jagen davon abbringen würde, Fleisch zu essen. Ich war mir nicht sicher, ob ich den Moment des Todes aushalten könnte. Aber es war viel leichter für mich, als ich mir es vorgestellt hatte. Ich hätte niemals erwartet, dass ich meine Omnivorie hinterfragen würde, während ich einen Vögel säubere. Ich bin nicht zimperlich: Ich habe in den Rocky Mountains frisch erlegten Elch zum Frühstück gegessen, ich habe einem Wildschwein den Hodensack entfernt ohne mit der Wimper zu zucken. Aber all das war in der freien Natur. Es ist der Geruch: der ekelhafte Gestank von Blut und Eingeweiden in meinem eigenen Wohnzimmer, der mir in die Nase stieg und plötzlich konnte ich mir nicht mehr vorstellen, dass irgendjemand die Ente noch essen wollen würde. Am nächsten Tag nehme ich aber das leuchtend rote Fleisch aus dem Kühlschrank und all meine Zweifel lösen sich in Luft auf. Es sieht wunderschön aus, riecht frisch und mild und ich will es auf der Stelle essen.

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Foto von der Autorin

Eine der Herausforderungen bei der Zubereitung von dunklem Wild ist, den Wildgeschmack einzudämmen. Der kann sehr intensiv sein und ich persönlich bin nicht gerade verrückt danach, weil ich nicht damit aufgewachsen bin. Glücklicherweise gibt es aber Methoden, mit denen man den Geschmack ausgleichen kann. Wenn man das Wild- mit Schweinefleisch mischt, wird der Geschmack milder und ich gebe noch frischen Fenchel, eine Orangenzeste und eine Handvoll Salbei hinzu. Übrig bleibt am Ende ein leichter Wildgeschmack, gerade intensiv genug, um die leicht süßlichen, reichen Aromen auszugleichen.

Ich kann euch versichern, es ist den Liebesdienst wert und diese Anweisungen machen die Wurstherstellung zu einem Kinderspiel.