Der Goldrausch: Das wahnwitzige Geschäft eines Trüffeldealers
Alle Fotos von Elif Küçük

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Trüffel

Der Goldrausch: Das wahnwitzige Geschäft eines Trüffeldealers

Es ist Saison für den Schwarzen Trüffel. Jetzt gehen 200.000 Euro in zwei Monaten über den Tisch.

Sobald der Trüffel aus dem Boden kommt, verliert Massimo Ferradino Geld. Massimo verkauft Trüffel in Berlin, ihm gehört das Tartufo del Re in Berlin-Kreuzberg und er verkauft an die Spitzengastronomie der Stadt: „Einmal geerntet, entweicht sofort Wasser und damit geht auch Gewicht verloren." In einem Geschäft, in dem jedes Gramm wichtig ist, kommen da schnell Summen zusammen. An jedem Tag wird eine Trüffelknolle drei bis fünf Gramm leichter. Kauft man – wie Massimo – kiloweise, verliert man damit schon mehrere hundert Euro, während einfach die Zeit vergeht. Nach vier Tagen schmeckt und riecht ein Trüffel nur noch halb so gut, nach sieben Tagen beginnt er zu verrotten. In der Zeit muss er aus den Wäldern Italiens auf den Teller kommen. Massimo muss in diesen Tagen so viel arbeiten, wie er kann: 200.000 Euro setzt Massimo in den zehn Wochen von Januar bis Mitte März um, in denen der Schwarze Wintertrüffel Saison hat. Das ist sein halber Jahresumsatz.

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Massimo mit 5.000 Euro Trüffel. Lässig.

Um dahin zu kommen, wo Massimo jetzt ist, musste er aus seinen Fehlern lernen: „Alles, was ich über Trüffel weiß, hat mich viel Geld gekostet", sagt Massimo. Denn er war nicht immer Trüffelhändler. Am Anfang wusste er über diesen Pilz: nichts. Er kam 2002 nach dem Studium in Neapel nach Berlin und arbeitete bald für eBay. Dort war er nie so recht zufrieden, es war Projektarbeit im virtuellen Raum. Einmal saß Massimo dann mit einem Freund zusammen, er kam aus der größten Trüffelregion Italiens. Eine Woche redeten sie und aßen Trüffelgerichte. Der Freund erzählte wilde Geschichten von wilden Machenschaften, denn das Geschäft ist oft ein dreckiges. Massimo war von den Trüffeln sofort fasziniert gewesen, von jedem Aspekt davon: dem Essen, den Restaurants, dem Zwielicht des Geschäfts. Er entschied sich, Händler zu werden.

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Guten schwarzen Trüffel erkennt man daran, dass er fest und im Inneren möglichst schwarz ist. Der Küchenchef Mirco Battaglini vom Cecconi's prüft die Ware.

Das erste Mal, als Massimo im italienischen Trüffelgebiet war, fuhren ihn die Trüffelsucher nur über sehr verschlungene Wege in ihre Gebiete, sodass er die Orte nicht wiederfinden konnte – und damit sie sichergehen konnten, dass sie niemand verfolgt. Denn unter Bäumen, an denen einmal ein Trüffel gewachsen ist, wächst er jedes Jahr nach. Es ist eine Goldader, die nie versiegt. Um diese Orte zu schützen, wird von den Suchern viel getäuscht oder gedroht. Dann und wann finden sich Feuerzeuge auf Autos, die in einem fremden Revier sind: „Wenn wir deinen Wagen hier noch einmal sehen, dann stecken wir ihn an!", heißt das. 2015 wurde in Frankreich ein Trüffelbauer zu acht Jahren Haft verurteilt, weil er einen anderen Mann erschoss, der auf seinem Trüffelfeld geklaut hatte. Massimo versucht, sich von alledem fernzuhalten. Die Trüffel sucht Massimo nicht selber im Wald, er muss hier sein, verkaufen. Die Ware kommt von Zwischenhändlern, die gleich von den Suchern im Wald kaufen. Die Preise schwanken stark, je nach Wetter, es ist ein bisschen so, wie mit Aktien zu spekulieren. Die Angebote bekommt Massimo per WhatsApp: Bilder von Trüffeln aus den Wäldern. Das Geld für die Sucher gibt es bar, die Zwischenhändler tragen viele Scheine durch die Gegend. Ist Massimo interessiert, zahlt er Vorkasse – zehntausende Euro, ohne dass klar ist, welche Ware es genau gibt. Vertrauen ist in diesem Geschäft wichtiger als Cash.

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Gute Verbindungen sind das Wichtigste. Massimo mit Sous Chef Jean-Marc Komfort im Cookies Cream.

Seine ersten Trüffel verkaufte er ans berühmte Berliner Adlon Hotel. Er hatte eine Handvoll von einem Freund bekommen, sie waren 3.000 Euro wert. Er fuhr damit zum Adlon und meinte nur zum Küchenchef: „Hier sind die Trüffel." Mehr konnte er dazu nicht sagen, er wusste schlicht nicht mehr. Der Küchenchef nahm sie in die Hand, roch an ihnen, wartete einen Moment und bat Massimo dann, eine Rechnung zu schicken. Er kaufte ihm alle ab. Nun wusste er auch, dass er ein gutes Produkt hat. Seit diesem Moment macht er sein Geschäft auch nur mit den hochklassigen Restaurants.

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Massimo hobelt über die Parmesan-Knödel im Cookies Cream. Dabei ist er sehr, sehr großzügig.

Massimo glaubt allerdings, dass Trüffel trotzdem ein lässiges Produkt sind. Acht bis zehn Gramm pro Person reichen für eine Hauptspeise, das kostet etwas mehr als 10 Euro. Nichts für jeden Tag, aber auch nicht unerschwinglich. Es ist nicht schwer damit zu kochen, es braucht nur ein bisschen Fett und Wärme. Dabei darf der Trüffel nicht wärmer als 80 Grad werden, denn sonst schmeckt er nach nichts mehr. Damit lässt sich eine klassische Trüffel-Pasta kochen, das wäre ein Anfang. Das Restaurant Cookies Cream benutzt den geraspelten Trüffel auf Parmesan-Knödeln. Dafür bekommt man einen Geschmack, der unvergleichlich ist.

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Geschäfte mit der Feinwaage.

In einigen der Restaurants, die Massimo beliefert, sieht das oft anders aus – dort wird geprotzt. Es sind die Klischee-Trüffel-Kunden: Ein Tisch bestellt Trüffel, lässt hobeln. Der andere Tisch lässt den Kellner kommen und sich noch mehr auffüllen. Der Kellner wiegt den Trüffel, wenn er die Küche verlässt und er wiegt ihn, wenn er zurückkommt – im Restaurant bezahlt man pro Gramm. Auch Massimo verlässt sein Haus nicht ohne eine Feinwaage. Wie Leute, die mit Drogen handeln. In der Restaurant-Szene nennt man ihn den „Dealer".

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Massimo verhandelt mit Christian Lorenz in der Küche des Grill Royal. Er wusste nichts von der Bestellung. Das klärt sich auf.

Der Vergleich zur kriminellen Drogenszene kommt nicht von ungefähr. Es wird viel Geld bewegt, es sieht so aus, als könne man sehr schnell sehr reich werden. Massimo liefert allerdings immer noch in einem alten Golf aus. Er wurde bislang von Schlimmerem verschont. Einmal brach man in Massimos Laden ein, den Laptop nahmen sie mit, Trüffel im Wert von 5.000 Euro ließen sie liegen. Sein Ladengeschäft hat er nicht sonderlich gesichert, die Diebe wüssten gar nichts mit der Beute anzufangen. „Außerdem habe ich für zwei Jahre geboxt, als ich vierzehn war." Man muss sich Massimo als einen glücklichen Menschen vorstellen. Er macht, was er liebt.