Trüffel, Kaviar und Foie gras für alle!
Foie gras funnel cake. All photos courtesy of Otium

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Restaurant

Trüffel, Kaviar und Foie gras für alle!

Timothy Hollingsworth ist „der Edelgastronomie entwachsen“ und will mit seinem Essen vor allem die Menschen berühren. Dafür kombiniert er anspruchsvolle und einfache Zutaten zu Gerichten, die man auch gern in Jeans und Sneaker essen kann.

Als ich im The French Laundry, einem ziemlich angesehenen Restaurant im kalifornischen Yauntville, gearbeitet habe, haben wir fast jeden Tag Foie gras gemacht.

Ich war dort 13 Jahre lang und wir haben sie in allen möglichen Variationen serviert. Als ich dann das Otium eröffnet habe, direkt neben dem The Broad Museum in Los Angeles, wollte ich die Foie gras so den Gästen zugänglicher machen. Klassisch serviert man sie mit Brioche, aber ich wollte etwas anderes machen. Wie wäre es zum Beispiel, wenn man die Foie gras mit Strauben serviert, einem Volksfestklassiker, bei dem Teig durch einen Trichter gegossen frittiert wird.

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Diese Kombination aus anspruchsvolleren und einfacheren Zutaten habe ich entwickelt, weil ich in einer großen Familie aufgewachsen bin. Zu Hause wurde viel gekocht, aber erst als ich älter war, habe ich exquisitere Sachen probiert. Fisch zum Beispiel habe ich das erste Mal mit 19 gegessen. Meine Kindheit war von einfachen Gerichten geprägt, dann habe ich auf höchstem Niveau kochen gelernt. Diese beiden Pole haben mich inspiriert. Mittags gab es bei mir chilaquiles, frittierte Tortillas mit Salsa oder Mole; später esse ich noch Koreanisch. Für mich als Amerikaner macht das die amerikanische Küche aus.

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Gegrilltes Hähnchen

Auf meiner Karte gibt es auch ein Gericht mit French Toast, das ich mit Trüffeln in einem japanischen donabe, einem speziellen Tontopf, serviere. Dann kommt noch Rauch hinzu und dadurch wird es gewissermaßen ein geräucherter French Toast. Und auch das gehört zu meinem Ansatz: einen Klassiker noch besser machen, dabei trotzdem einfach bleiben. Ich möchte keinen damit beeindrucken, sondern einfach nur lockeres, spielerisches Essen servieren. Wenn dir mein Restaurant nicht gefällt, dann nicht.

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Tatar

Diese übermäßige Perfektion ist nichts für mich. Ich will mit tollen Zutaten kochen, aber nicht mit einer fast schon verrückten Präzision. Im The French Laundry hatten wir jeden Abend 80 Gäste, viele Leute wollen unbedingt dort essen. Aber wie viele von denen berührt man wirklich mit einem Essen? Für mich sind die Gäste wie meine Familie, also versuche ich das zu kochen, was auch meine Liebsten essen würden. Und es gibt viele Köche, die das genauso machen.

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Ich brauchte keine 19 verschiedenen Weingläser oder 12 verschiedene Besteckteile für ein Essen.

Am Ende kommt es doch darauf an: Kann man mit Jeans und Sneaker in ein Restaurant gehen und trotzdem ein tolles Erlebnis haben und Dinge wie Trüffel, Kaviar und Foie gras essen? Nichts gegen Edelrestaurants, aber ich will nicht zwei Monate vorher einen Tisch reservieren müssen. Ich will mich nicht schick machen müssen. Außerdem bin ich nach einem dreistündigen Nobelessen einfach nur total fertig und fühle mich von den ganzen Drinks und dem Essen regelrecht verkatert.

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Kleine essbare Juwelen

Für mich hat sich alles verändert, als ich erkannt habe, dass ich mich jeden Tag richtig fertig gemacht habe, weil ich unbedingt etwas Perfektes kochen wollte. Wenn man das nicht tut, bekommt auch keiner mit, ob man es verkackt oder nicht. Ich kann dir etwas servieren, wo zehn Dinge falsch gelaufen sind, aber du merkst den Unterschied wahrscheinlich nicht einmal. Ich habe zwar bei The French Laundry gearbeitet und auch den James Beard Award gewonnen und beim Bocuse d'Or mitgemacht, aber ich versuche, nicht mehr so zu kochen.

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Falafel

Ich habe mich schon damals gefragt, warum wir die Karte jeden Tag ändern sollten. Klar, das hat uns ganz schön gepusht und zu besseren Köchen gemacht, aber ich habe mich auch gefragt: Was wenn die Karte von gestern absolut in Ordnung war? Mit 33 Jahren hatte ich ein Burn-out. Als ich das The French Laundry verlassen habe, wartete kein neuer Job auf mich. Ursprünglich wollte ich einen Taco-Laden eröffnen, aber dann bot sich mir eine Chance mit dem Otium und die habe ich genutzt. Aber vorher habe ich mich gefragt: Was heißt es für mich, ein Restaurant zu haben? Wenn ich ein Restaurant eröffne, was möchte ich damit erreichen?

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Schnapperfisch auf Reis

Es sollte ein Ort sein, wo man einfach „mal hingeht" und sich einen Happen zu essen und einen guten Cocktail gönnt, aber auch ein Restaurant, wo ich mit meiner Frau zum Hochzeitstag hingehen würde. Also brauchte ich keine 19 verschiedenen Weingläser oder 12 verschiedene Besteckteile für ein Essen. Und ich wollte mehr Lebensqualität. Ich bin also einen Schritt zurückgetreten und habe geschaut, was mir Erfolg und Leben bedeuten. Kochen liebe ich, aber jetzt habe ich Frau, Kind und Hund, also habe ich mein Leben danach umgestaltet.

Hamachi

Hamachi

In der Küche ist alles in stetiger Veränderung. Ich bin quasi ganz natürlich der Edelgastronomie entwachsen. Ich habe mein ganzes Geld in den besten Restaurants verprasst—Urasawa, Meadowood, Saison—und noch mehr für den Wein danach ausgegeben. Eine Zeit lang habe ich nur das gemacht, das wurde aber irgendwann langweilig.

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Timothy Hollingsworth

Wenn ich jungen Köchen einen Rat geben würde, dann dass sie alles geben müssen. Man wird nur belohnt, wenn man auch was reinsteckt. Stellt Fragen, wenn ihr arbeitet. Wenn ihr in einem bestimmten Küchenbereich arbeitet, konzentriert euch auf diese Position. Wenn ihr zum Beispiel das Schlachtfleisch vorbereitet seid, dann lest alles darüber, wie die Japaner das machen. Nutzt es voll aus.

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Das Otium

So lernt man schneller und dann macht sich auch das mickrige Gehalt bezahlt. Am Ende ist die Arbeit in der Küche wie die Uni.

Aufgezeichnet von Javier Cabral

Timothy Hollingsworth ist Koch im Otium und im Barrel & Ashes.