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BBQ

Berlins boomende BBQ-Szene

In Berlin gibt es einige Barbecue-Restaurants, die sich vieles aus New Yorker Lokalen abgeschaut haben. Diese sind stark von der texanischen Tradition beeinflusst. Und wer beeinflusste diese wiederum stark? Zee Germans!
Foto von Timmo Schreiber.

Mit Berlins neuen Barbecue-Restaurants hat sich kürzlich ein (Fleisch-)Kreis geschlossen. Über New York und über Umwege auch Texas erkunden die Berliner Restaurantbetreiber ihre kulinarischen Wurzeln und servieren ihren Gästen traditionelles Essen, das schon vor über einem Jahrhundert von Deutschen in den USA erfunden worden war.

Nachdem Nawid Samawat und Holger Groll in John Brown's Smokehouse in Queens gegessen hatten, wurden die beiden so vom Geschmack des Barbecues und vom entspannten, minimalen Vibe des Lokals in den Bann gezogen, dass sie beschlossen, das Ganze mit nach Berlin zu bringen. „Da war dieser Riesentyp, der uns bediente. Er war der größte Fan seines eigenen Essens, das hast du ihm am Gewicht angesehen", sagt Samawat. „Wir waren ganz verrückt nach seinem Essen und wir wussten einfach sofort, dass wir das für alle anderen in Berlin anbieten müssen, weil es einfach viel zu lecker war." Seit fast zwei Jahren hat sich das Chicago Williams BBQ als angesagtes Lokal in einer Stadt etabliert, die auf den Barbecue-Geschmack kommt.

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Der Mitgründerin von Big Stuff Smoked BBQ Anna Lai erging es ähnlich. Als Studentin in New York hielt sie nicht besonders viel von amerikanischem Essen, bis sie Barbecue probierte. „Als wir zum ersten Mal ins Restaurant Fette Sau gingen, dachte ich mir, Das ist das amerikanische Slow Food", sagt die gebürtige Italienerin. „Die Bezeichnung Slow Food passt auf zwei verschiedenen Ebenen: Zum einen wird es aus übrigen Teilen des Tiers gemacht, zum anderen dauert die Zubereitung sehr lange und es ist eine sehr handwerkliche Arbeit. Ich war wirklich beeindruckt."

Das neueste Restaurant im Bunde ist Pignut BBQ, dessen Inspirationsquelle eher die traditionelle südliche Küche ist. Der Besitzer Chris O'Connor, ein Opernsänger, arbeitete gerade in Alabama, als er am klassischen Barbecue des Südens Gefallen fand.

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Pulled Pork Sandwich im Chicago Williams BBQ.

„Fleisch ist hierzulande ein Hauptbestandteil der Esskultur", sagt Lai vom Big Stuff BBQ. „Amerikanischer Barbecue ist eine neue Art, Fleisch zuzubereiten, aber vom Geschmack her nicht komplett fremd. Deshalb war uns klar, dass es hier in Deutschland funktionieren würde."

Im 19. Jahrhundert waren es sogar die Deutschen (und die Tschechen), die als Erste in Texas Fleisch räucherten. „Die Fleischszene in Texas war im Grunde in den Händen der Deutschen", sagt Lai. „Eine der Theorien besagt, dass die deutschen Metzger, die die Überreste für ihre Familie räucherten, es ins Land gebracht haben." Die kalifornische Senfsauce stammt anscheinend von den deutschen Immigranten in Texas.

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Diese neuen Barbecue-Lokale in Berlin präsentieren die amerikanische Küche einmal von einer anderen Seite, als es die weit verbreiteten Diner im 60er-Jahre-Stil tun. Die Inspiration dafür nehmen die Restaurants direkt aus den USA und somit sind sie auf dem besten Weg, den Deutschen authentisches Barbecue näher zu bringen.

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Grillen im Chicago Williams BBQ.

Für Lai und ihren Geschäftspartner Tobi Bürger ging es ausschließlich darum, das Fleisch richtig hinzukriegen. Nachdem sie zahlreiche amerikanische Grillmeister befragt hatten, bestellten sie das Nonplusultra unter den Smoker: ein Southern Pride. Sie verbrachten Wochen und Monate damit, verschiedene Fleischsorten auszuprobieren und ihre Rezepte zu perfektionieren. „Wir probierten 30 verschiedene Arten Schweinefleisch aus—aus Freilandhaltung und biologisches. Wir probierten so viele und schlussendlich haben wir das Richtige gefunden", sagt Lai. Dank ihres Standorts in der Markthalle Neun bekommt Big Stuff BBQ auch viel Aufmerksamkeit—sei es auf dem Markt oder bei Street Food-Events wie dem Breakfast Market, wo sie einen dekadenten Frühstücksteller mit Schweinebauch, hausgemachtem Speck und einem Spiegelei servieren.

Den Jungs vom Chicago Williams lag besonders viel daran, eine entspannte Atmosphäre, wie sie sie im John Brown's erlebt hatten, zu schaffen. Trotzdem entwickelten sie ihre eigenen Rezepte und ihren eigenen Stil. Das Resultat: ein Wandgemälde einer Kuh und ein ungezwungener Service, hausgemachte Barbecue-Saucen von mild bis superscharf und mit Birkenholz geräuchertes Fleisch. Für die Namen der Gerichte ließen sich die Jungs witzige, aber auch leicht anstößige Namen wie Porn Rib Sandwich oder Bacon Raped Cheesecake (ein Käsekuchen in Speck eingewickelt) einfallen. „Wir folgen keinem bestimmten Stil wie Kansas City oder Texas. Wir haben sehr viel recherchiert und schließlich unsere eigenen Rezepte kreiert", sagt Groll, der sich gemeinsam mit Samawat monatelang durch das Barbecue-Angebot New Yorks durchaß. „Es ist eine Mischung aus verschiedenen regionalen Barbecue-Stilen aus den USA. Wir verwenden aber Gewürze und Zutaten, die wir hier in Deutschland gefunden haben. Es ist also ein Barbecue im Berlin-Stil."

Im Pignut hat sich O'Connor mit Einheimischen zusammengetan. Neben deren Familienrezepten serviert er außerdem klassische regionale Spezialitäten wie Hähnchen mit weißer Barbecuesauce. „Für uns war es wichtig, das Erbe Alabamas zu präsentieren, dieses Erbe nach Berlin zu bringen", sagt O'Connor. „Zumindest als ich noch jünger war und in Berlin lebte, kannte keiner die regionale Küchen Amerikas." Aus manchen Rezepten nahm O'Connor ein bisschen die Schärfe, um sie an den deutschen Markt anzupassen. Aber von einem wollen O'Connor und sein Team nicht ablassen: dem Brot. Während die meisten Leute erwarte, dass ihr Fleisch in ein typisches, schönes Burgerbrötchen gepackt ist, wird im Pignut Toastbrot serviert. „Jeder verwendet für seine Burger und Sandwiches das typische Burgerbrötchen, weil es nett aussieht. Wir verzichten aber darauf", sagt O'Connor. „Der Sinn des Brots ist, das Fleisch zusammenzuhalten und die Sauce aufzusaugen."

Ob Berlins Hunger an BBQ mit diesen drei Lokalen gestillt sein wird, wird sich zeigen. Qualitativ können sie den USA jedenfalls schon die Stirn bieten.