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Rumänien

Auf der Suche nach den besten Mici in Bukarest

Mici sind für Bukarest, was Currywurst für Berlin ist. Jeden Tag essen sich Bauarbeiter wie Geschäftsmänner täglich davon satt und die Köche hüten ihre Geheimnisse wie ihren Augapfel.

Mici sind für Bukarest, was Currywurst für Berlin ist. Bauarbeiter und Geschäftsmänner mögen sie gleichermaßen und es gibt keine falsche Tageszeit, um eine zu essen. Meistens bestehen sie aus einer Mischung aus Schweine-, Rind- und Lammfleisch, Knoblauch, schwarzem Pfeffer, Thymian und Anis, aber jeder Mici-Imbiss hat sein eigenes Rezept und seine eigene Grillmethode. Köche halten ihre Rezepte streng geheim, in der Hoffnung, dass sie eines Tages zum besten der Stadt gekürt werden. Aber Mici zuzubereiten, ist keine einfache Aufgabe. Das Fleisch muss Stunden, bevor es auf den Grill kommt, vorbereitet werden, und die Mischung der verschiedenen Fleischsorten und Gewürze muss genau abgestimmt sein.

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Die Rumänen lieben diese kleinen, saftigen Fleischstücke so sehr, dass, als die EU versuchte, sie aufgrund ihres Natrongehalts zu verbieten, im gesamten Land Aufruhr herrschte. Manche waren so angepisst, dass das rumänische Gesundheitsministerium auf das Europäische Parlament einwirken musste, damit Mici in der EU-Liste der „Traditionellen Lebensmittel" aufgenommen und folglich von den Gesundheits- und Sicherheitsstandards der EU ausgenommen wird.

Das Ministerium hatte Erfolg, und ich bin froh darüber. Das Natron mag zwar für meine Gesundheit keine Wunder bewirken, aber es verleiht Mici eine einzigartige Konsistenz—die perfekte Balance zwischen einem Hotdog und einem Hamburger.

In Bukarest gibt es hunderte Orte, wo man Mici essen kann—vom Restaurant zum einfachen Grill an der Straßenecke. Ich verbringe nur ein paar Tage in der Stadt, mache es mir aber trotzdem zur Aufgabe, die besten Mici der Stadt zu finden und bitte Mircea, einen einheimischen Fotografen und Mici-Liebhaber, um Hilfe. „Die Imbisse zu finden, ist einfach", erklärt mir Mircea, „wenn du Rauch auf den Straßen siehst, befindet sich dort ein Mici-Imbiss. Den besten zu finden, ist jedoch nicht so einfach."

Smoke at the mici shack in Orban market

Rauch beim Mici-Stand auf dem Obor-Markt. Alle Fotos von Mircea Topoleanu.

Um 11 Uhr vormittags kommen wir bei Obor an, Bukarests größtem Obst- und Gemüsemarkt am nördlichen Stadtrand. Um uns herum feilschen Händler mit Kunden um Preise. Auf dem Markt gibt es vier Mici-Stände, deren Arbeiter alle mit Grillen beschäftigt sind, aber nur vor einem hat sich eine lange Schlange gebildet, in der die Leute geduldig auf ihre Hackfleischröllchen warten. Dieser schließen wir uns an. Der Geruch von Fleisch und Kohle ist intensiv. Dichter Rauch steigt vom Grill auf und obwohl es noch nicht einmal Mittag ist, sitzen Kunden mit einem Bier vor dem Stand. „Das ist normal", versichert mir Mircea, „Mici ohne Bier, das geht nicht."

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Wir spähen auf die daumenlangen Fleischstücke vor uns. „Glaub mir", sagt Mircea mit einem Lächeln, „die sind saftig". Hungrig beiße ich in meine erste Mici. Das Fleisch ist schwammartig und körnig und als ich noch einen Bissen nehme, fließt der Saft und das Öl in meinen Mund. Mici zu kauen, ist in etwa so befriedigend wie eine große Kaugummiblase zerplatzen zu lassen. Mein Teller ist viel schneller leer als der von Mircea und so verbringe ich die restliche Zeit damit, mich davon abzuhalten, gierig auf seinen Teller zu starren.

The author's first mici

Die ersten Mici des Autors.

Vor dem nächsten, etwas exklusiver aussehenden Mici-Lokal in der armenischen Nachbarschaft, 20 Gehminuten von Bukarests Innenstadt entfernt, gibt es keine Warteschlange. „Keine Sorge, ich war schon oft hier, der ist gut", versichert mir Mircea, als er meinen skeptischen Blick sieht. „Momentan ist keiner da, weil sich im Umkreis viele Büros befinden und die Leute nur zu Mittag hier essen kommen." Ein Mann, etwa Mitte 60, in Jogginghose und mit schwarzem Lederhut steht an der Theke, lächelt und isst Mici. Vorsichtig taucht er sein Fleisch in die Sauce, nimmt einen kleinen Bissen und legt das Fleisch wieder hin, um den Bissen zu genießen.

Als ich mich über meine eigene brutzelnde Mici hermache—sie ist dünner und größer als die vorige und die Konsistenz ist nicht ganz so befriedigend—, sagt der Mann zu mir: „So isst man Mici nicht. Man nimmt zwei Zahnstocher, nicht einen!" Er erklärt mir, dass sich die Mici dreht, wenn man nur einen Zahnstocher verwendet. „Wenn du nicht wie ein Eichhörnchen aussehen willst, nimm zwei", scherzt er.

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Aline, die Besitzerin, lacht über uns, während sie die fertigen Mici vom Grill nimmt und in eine Schüssel dickflüssige, braune, ölige Sauce aus Petersilie und Bratfett legt. Sie erzählt uns, dass sie seit sechs Jahren hier Mici zubereitet, jeden Tag etwa 2.000. Bevor sie das Fleisch auf den Grill legt, kocht sie das Fleisch in einer Brühe aus Wasser mit Knochen und Knorpeln. „So entsteht das besondere Kaugefühl. Den Leuten schmecken sie und sie kommen aus ganz Bukarest, um meine Mici zu essen, nicht wie bei den Typen da drüben", sagt sie und zeigt auf einen Grill, ein paar Hundert Meter von uns entfernt.

A woman eating mici at the Piata Sudulei spot

Keine Zeit, sich hinzusetzen und bei Piata Sudulei Mici zu essen.

Unser nächster Halt ist ein Mici-Imbiss auf dem Piata Sudului-Markt im Süden der Stadt. „Wir sind hier in Rumänien, nicht in Deutschland, es gibt keinen Senf", sagt Carmen, eine 54-jährige Köchin, als ich nach Sauce frage. „Wenn du unbedingt eine Sauce willst, wir haben unsere Spezialsauce dort drüben", sagt sie und zeigt auf einen großen, weißen Plastikeimer, vor dem sich ein paar Kunden versammelt haben und ungeduldig warten, bis sie dran sind. Ich nehme einen Löffel, schöpfe ihn auf einen Pappteller mit Fleischsäften und tauche die erste Mici hinein. Die Sauce schmeckt ein bisschen nach Mohn, aber so subtil, dass der Fleischgeschmack bei jedem Bissen durchkommt. „Was ist da drin?", frage ich naiv. „Das ist natürlich ein Geheimnis … das kann ich dir nicht verraten", antwortet sie und zieht ihre Augenbrauen hoch.

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Carmens Mici sind etwa eineinhalb Daumen lang, größer als die meisten Mici der Stadt. Sie verwendet kein Schweinefleisch, weil sie das schwerer macht, wie sie findet. Den Leuten scheint es zu schmecken. In der Stunde, die wir an ihrem Stand verbringen, gibt es eine konstante Warteschlange. Sobald ein Kunde fertig gegessen hat und aufsteht, wird sein Platz vom nächsten gefüllt. Ich frage Carmen, wie viel sie jeden Tag verkauft. „Sehr viele", sagt sie, „andere Lokale der Stadt kommen zu uns, um das Fleisch zu kaufen, weil unser Rezept so perfekt ist."

Last mici at The Hunchbak

Mici vom berühmtesten Mici-Koch Bukarests.

Unser letzter Stopp ist Aviatei in einer schickeren Gegend im Norden der Stadt. Jeder scheint dieses Mici-Lokal, das sich nicht weit von den schönsten Parks der Stadt entfernt befindet, zu kennen. Das Fleisch ist ein bisschen teurer als anderswo, aber es lohnt sich. Auch diese Mici haben die wunderbar schwammartige Konsistenz, der Geschmack ist leicht anders als der der bisherigen, vielleicht liegt das daran, dass sie über einem Holzofen statt einem Holzkohlegrill zubereitet wurden. Die Atmosphäre hier ist entspannter; der Koch Valeriu strahlt und freut sich über den Anblick seiner Kunden, die genüsslich sein Essen speisen.

Das Restaurant wurde vor 25 Jahren eröffnet, kurz nachdem der rumänische Diktator Nicolae Ceausescu 1989 durch eine blutige Revolution gestürzt worden war. Der erste Besitzer beschloss, aus Gründen, an die sich keiner mehr erinnern kann, das Lokal „Zum Buckligen" zu nennen. Später wurde es an Valeriu, einen 67-jährigen, echten Bucklingen verkauft.

The Hunchbak, Bucharest's most famous mici cook

Der berühmteste Mici-Koch Bukarests.

Mircea und ich kommen etwa zur Mittagszeit an und Valeriu bewegt sich grazil wie ein Tänzer hinter dem Grill. Er packt Mici aus, legt sie auf den Grill, eine nach der anderen. „Ich mache täglich zwischen 4.000 und 5.000", sagt er stolz.

Am Ende unserer Tour habe ich so viele Mici gegessen, dass ich kurz darüber nachdenke, Vegetarier zu werden. Nach gefühlten 100 Mici kann ich aber mit gutem Gewissen sagen, dass ich die besten Lokale der Stadt kenne.