Kuhfüße, Krimsekt und importierte Milch—auf Tour mit einer Russin in Brooklyn

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New York

Kuhfüße, Krimsekt und importierte Milch—auf Tour mit einer Russin in Brooklyn

Um mehr über den salzigen Fisch und den Kohl zu lernen, den ich vor vielen Jahren in meiner Jugend schon einmal probiert hatte, machte ich mich auf nach Brighton Beach, eine bürgerliche, vorwiegend jüdische und russischsprachige Gegend in Brooklyn. Der...

Willkommen zurück zu Ashok Kondabolus (a.k.a. Dapwell) Kolumne Aisle Check, in der sich Ashok mit dem Konzept des „ethnischen" Supermarkts beschäftigt. Sind nicht alle Supermärkte aus Weltsicht irgendwie „ethnisch"? Und sind sie nicht eigentlich auch nur normale Supermärkte?

In meinem ganzen Leben habe ich nur wenige Male russisch gegessen. Einmal hatte mein Vater einen Job im jüdisch geprägten Stadtteil Besonhurst in Brooklyn. Ich kam gerade von der Schule nach Hause, als mein Vater mit drei russisch-orthodoxen Juden im Wohnzimmer saß und versuchte aus Freundlichkeit etwas zu essen, was er nicht kannte. Damals aß mein Vater ausschließlich südindisches Essen, nur gelegentlich würde er sich zu chinesischem Takeaway hinreißen lassen. Das war's.

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Später an diesem Abend aß ich wie immer das Essen, das übrig blieb (was meistens ziemlich viel war), bevor meine Mutter den Rest für ihre Kolleginen am nächsten Tag zur Arbeit mitnahm. Ich erinnere mich an Kohl, Fisch, der wie Fisch aussah, aber nach Salz schmeckte und viel Brot. Es schmeckte mir und es war das komplette Gegenteil von den südindischen Aromen der Gerichte, die meine Mutter immer kochte.

Mein nächster Streifzug durch die russische Küche (der katastrophale Versuch, mit meiner Freundin Olga und ihrer Mutter pelmeni zu machen, zählt nicht) ist noch gar nicht so lange her. Meine Fotografin Katy und ich stiegen in unseren gemieteten Chevy Cruze und fuhren nach Washington Heights, um dort einen meiner ältesten Freunde, Aleksey Weintraub (a.k.a Lakutis), und seine Mutter Elena zu treffen. Aleksey und ich lernten uns über einen gemeinsamen Freund kennen, als wir 16 waren und wir verbrachten den Abend damit, auf alte Schaufensterpuppen, die wir gefunden hatten, im Riverside Park mit einer Aluminiumstange einzuprügeln. Ich hatte schon einige Male bei ihm zu Hause gegessen, aber es war entweder nichts Russisches oder ich war zu betrunken, als dass ich mich noch ans Essen erinnern könnte. Elena machte auch immer einen in Rum getränkten Kuchen, der mir sehr gut schmeckte, aber ich weiß nicht, ob das zählt. (Trinken Russen auch Rum?)

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Der Autor mit Aleskeys Mutter in Brighton Beach, Brooklyn. Alle Fotos von Katy Porter.

Wir stiegen ins Auto und bereiteten uns für die lange Wanderung nach Brighton Beach vor, eine bürgerliche, überwiegend jüdische, russischsprachige Nachbarschaft im tiefsten Süden Brooklyns. Aleksey kennt die Nachbarschaft von gelegentlichen Shoppingausflügen mit seiner Mutter.

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Es war ein kalter Tag. Trotzdem verkauften viele der Händler verschiedene Kekse und Gebäcke auf der Straße. Unser erster Stop war der Brighton Bazaar, ein Supermarkt, der unter den Einwohnern der Gegend recht beliebt ist. Eine Weile verfolgte uns ein Angestellter durch den Laden, um sicherzustellen, dass wir nicht fotografieren. Ein paar Fotos haben wir trotzdem gemacht.

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„Das ist einer der größten Supermärkte seit es International Foods nicht mehr gibt, der abgebrannt ist. Die Regale und Vitrinen sind voller russischer Lebensmittel, von Wurst bis hin zu Obst und Gemüse, alle möglichen importierten Süßigkeiten und hausgemachte Würste. Russische Juden, Weißrussen, Ukrainer, Usbeken und Israelis sind hier wegen des Strands hergezogen und sie mögen ihr Obst und Gemüse ein bisschen größer und besser als in der Stadt."

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„Das sind rote Johannisbeeren. Sie sind sehr sauer und nicht sehr beliebt, außer für Wackelpudding. Im Norden Russlands gibt es den Strauch. Er wächst dort, wo ich herkomme (St. Petersburg). Es gibt drei verschiedene: Die roten, die sind sehr sauer. Weiße, die liegen geschmacklich zwischen sauer und süß und schwarze Johannisbeeren, aus denen Crème de Cassis und Johannisbeersaft hergestellt wird. Sehr viel Vitamin C."

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„In Amerika kennen die Leute die sauren und die halb-sauren. Wir Russen legen alles ein. Wir essen sie mit Fleisch, mit Hummus. Man kann auch Pilze, Wassermelone, Äpfel, Sauerkraut, Tomaten, kleine Auberginen einlegen. Weil es eingelegt und nicht erhitzt wird, bleiben einige der Nährstoffe erhalten."

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„Das ist russisches Gebäck, es gibt mindestens zweihundert verschiedene wie zum Beispiel Löffelbiskuits—sie haben alle einen Namen. Nach russischer Tradition kauft man sie noch warm an einem kalten Tag auf der Straße und isst sie sofort."

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„Das ist die russische Version von UGGs mit falschen Tierköpfen. Nichts für PETA-Mitglieder. Die Russen mögen Verzierungen und das ist ein sehr gutes Beispiel dafür."

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„Matrjoschkas sind ein russisches Symbol für Überfluss und Reichtum. Du öffnest eine und es kommt eine weitere heraus, und so weiter. Jeder, der als Tourist nach Russland fährt, bringt sie mit. Man hat immer ein paar davon zu Hause, aus keinem wirklichen Grund."

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„Hier haben wir allen möglichen Fisch, Räucherlachs, der hier rechts ist halbgesalzen. Kalt geräucherter atlantischer Lachs. Aus irgendeinem Grund schreiben sie die englischen Wörter mit russischen Buchstaben und die russischen Wörter mit englischen Buchstaben. Das hier ist alles geräuchert. Daraus macht man hauptsächlich Sandwiches. Man kann auch gekochte Kartoffeln dazu essen, aber die Kartoffeln sollten dann nicht gesalzen werden, weil der Fisch schon so salzig ist. Das nennt man alles zakuska, etwas, das man zu Wodka isst. Was auch immer man nach einem Glas Wodka isst, nennt man zakuska, und das Beste ist salziger Fisch. Hering, wenn du arm bist, wenn du reich bist, gilt roter Fisch als Statussymbol."

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„Das ist eine berühmte Werbung. Da steht: ‚Red nicht zu viel!' Sie stammt aus der Zeit, als man behauptete, wir wären von Spionen aus dem Westen umgeben. Es wird hier im Laden als eine Art Scherz behalten, ein Wortspiel."

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„Krabbenfleisch war früher sehr bliebt in Russland. Russische Konserven sind ein bisschen anders—andere Gewürze und andere Techniken. Ich habe noch nie so etwas Gutes wie russisches Krabbenfleisch aus der Dose gegessen. Die hier sind aber nicht so gut. Es ist schwierig, eine Dose zu bekommen. Wir behalten sie dann jahrelang auf und machen einen Salat daraus und mischen sie in die Mayonnaise."

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„Kuhfüße, gefroren. Die werden für ein beliebtes Gericht verwendet, Fleisch in Aspik. Du kochst sie bin zum Überdruss, sechs bis zehn Stunden, und gibst alle möglichen Fleischsorten dazu—aber Kuhfüße müssen drin sein. Wenn alles auseinanderfällt, nimmst du die Knochen raus; es ist so konzentriert, dann wird Gelée daraus. Es ist dann ähnlich wie Schweinskopfsülze und wird in Scheiben aufgeschnitten und mit Meerrettich gegessen. Eine Scheibe ist wie zwei Schüsseln Suppe."

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„Das ist importierte Milch. Verschiedene Kühe schmecken unterschiedlich. Das ist kein Scherz."

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„Das ist russischer Cognac. Ararat ist armenisch. Der war mal sehr beliebt, die Russen mögen ihn immer noch. Puschkin, der berühmte russische Dichter, schrieb einmal: „Hat Gott doch dem, der Glück entbehrt, /Gewohnheit als Ersatz beschert". Deshalb trinken sie das—es erinnert sie an die Vergangenheit."

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„Eine russische Version eines Champagners, furchtbares Zeug. Sehr billig. Hier steht: ‚Sowjet-Schaumwein'. Soviet Champagner ist eine bekannte Marke. Russische Nostalgie."

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„Manche Leute mögen diesen Supermarkt lieber als den Brighton Bazaar. ‚Gold Label' war der Name eines Kakaopulvers, das jeder kaufte, also war es ein Name mit Wiedererkennungswert."

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„Das ist die russische Version von Marshmallows, zefir. Ich glaube, das wird aus Russland importiert. Das ist grauenhaft."

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[lacht] „Das ist Bologna, eine berühmte Firma."

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„Brot ist in Russland sehr wichtig. Dieser Laib ist aus Roggen, Kümmel und allen möglichen Gewürzen gebacken. Würziges Roggenbrot ist in Russland ein Grundnahrungsmittel. Es ist ein schweres, festes Brot. Manche Leute leben nur von Brot, also verwendet man lieber verschiedene Mehlsorten."

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„Noch mehr Nostalgie in der Form von Eiscrème. Alle behaupteten, dass russisches Eis viel, viel besser als amerikanisches schmeckt, also fingen sie an, es zu importieren. Es wird andere Milch verwendet. Ich bin aber sowieso kein großer Eisfan, also weiß ich das nicht so genau."

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„Das ist Meerrettich-Mayonnaise. Das rechts ist tkemali. Es ist eine georgische Sauce aus wilden Pflaumen, Kräutern und Gewürzen. Die ist sehr lecker. Man isst sie mit Shish Kebabs, Lamm. Sie passt auch sehr gut zu Wildgeschmack, zu Ziege oder Reh."

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„Das ist etwas typisch Russisches. Es heißt kissel und ist wie Wackelpudding. Man trinkt es, aber es ist wie ein Dessert—trinkbarer Wackelpudding. Einfach ein paar Löffel heißes Wasser dazu und das war's. Das ist sehr russisch, keiner sonst mag das!"

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Pelmeni—russische Teigtaschen. Wenn wir früher eingeschneit waren, saßen wir uns alle hin, rollten den Teig aus und machten die Fleischfüllung. Die ganze Familie machte hunderte davon. Dann gaben wir sie in Säcke und vergruben sie draußen, um sie einzufrieren. Wenn wir welche brauchten, nahmen wir sie einfach heraus, kochten sie und aßen sie mit saurer Sahne oder Essig. In Sibirien verwendet man Schweine- und Rindfleisch oder Hähnchen oder Kalb, die klassische version ist aber mit Schweine-, Rind- und Lammfleisch."

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„Diese polnischen Waffeln sind sehr beliebt—sie heißen Torcik Wedlowski. Sie waren in Russland sehr schwer zu kriegen, aber jeder wollte sie. Hier in Amerika garnieren wir sie mit roten Johannisbeeren, weil es schön aussieht."

Wir verließen Brighton Beach und fuhren zurück nach Washington Heights, wo wir einen Teil unserer Beute verspeisten. Keinem schmeckten die roten Johannisbeeren, aber die Waffeln waren ziemlich gut. Elena erzählte uns von vielen russischen Geschäften in Brighton Beach, die schließen mussten und dass viele neue Geschäfte in Forest Hills in Queens rund um die 108th Street eröffnen. Ich habe ein bisschen etwas über russisches Essen und viel über die Ungestörtheit und Einzigartigkeit von Brighton Beach in einem immer homogener werdenden New York gelernt. Alles in allem ein erfolgreicher Ausflug.