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Eiscreme

Verkehrte Welt—das beste Eis kommt aus Down Under

Dass das beste Gelato aus Italien kommt, ist nicht nur ein offenes Geheimnis, sondern seit letztem Monat auch Geschichte. Auch Deutschland war beim Finale der Gelato World Tour vertreten. Wie wir abgeschnitten haben, erfährst du hier.
Phoebe Hurst
London, GB

Es kommt nicht so häufig vor, dass Italiener in ihren Paradedisziplinen den Kürzeren ziehen. Egal, ob es nun um Sportautos, Sexskandale oder Sophia Loren geht, der Rest der Welt scheint eingesehen zu haben, dass es bestimmte Sachen gibt, die Italiener einfach besser können. Das Gleiche gilt auch fürs Essen. Wenn du ein Pasta-Gericht oder eine Pizza essen willst, die dich wirklich umhauen soll, gehst du am Besten ins nächste Restaurant mit rot-weiß karierten Tischdecken, das—neben der köstlichen Küche—mit Obern aufwartet, die mit politisch unkorrekten Schnurrbärten und unglaublich sympathischen Sprachfehlern ausgestattet sind.

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Doch all diese für sicher geglaubten Erkenntnisse wurden letzte Woche brutal über den Haufen geworfen, als eine gelateria aus Australien—mit nicht mehr als vier Jahren auf dem Buckel—unter 24 handwerklich arbeitenden Speiseeisherstellern aus aller Welt das Gran finale der Gelato World Tour in Rimini für sich entscheiden konnte.

Sind wir mal ehrlich: Der letzte Satz klingt doch für jeden Italien-Liebhaber nach nichts anderem als einem (süßen) Sakrileg.

Die Eisbar Cow and the Moon aus Sydney hat sowohl das Gelato-Genie Francesco Mastroianni als auch die mehrfach ausgezeichnete Gelateria Fiere aus der Lombardei hinter sich lassen können und sich damit—dank ihrer ganz eigenen Interpretation des klassischen Affogato-Geschmacks—den Titel „Bestes Eis der Welt" sichern können. „Es ist echt toll, wenn du für das, was du aus Liebe und Überzeugung machst, ausgezeichnet wirst", erklärt eine sichtlich überwältigte Wendy Crowl, die die Eisbar zusammen mit ihrem Mann John und ihrem gemeinsamen Sohn Sam betreibt. „Hinter einem guten Eis steckt verdammt viel Arbeit, die unsere Gäste im Normalfall nicht zu Gesicht bekommen. Auch in Italien warteten gewisse Schwierigkeiten auf uns. So verwenden sie hier eine andere Milch. Außerdem mussten wir einen geeigneten Ort finden, um unsere Mandeln zu karamellisieren."

Veranstaltet von der Carpigiani Gelato University (manche Leute lieben Eis so sehr, dass sie es gleich studieren), hat die Gelato World Tour in acht unterschiedlichen Städten Halt gemacht, darunter in Berlin, Dubai und Schanghai. Die drei besten Eishersteller aus den jeweiligen Teilwettbewerben durften zum Finale nach Rimini anreisen, wo ihre Eiskreationen vom Publikum, einer Fachjury sowie Medienvertretern bewertet wurden. Insgesamt wurden während der dreitägigen Veranstaltung fast 70.000 Becher und Waffeln verkostet. „Dieser Wettbewerb ist für unsere Eisindustrie so etwas wie die Formal 1 oder die Olympischen Spiele", erklärt uns Valentina Righi von der Carpigiani Gelato University. Denn, so Righi weiter: „Hier haben Eishersteller aus aller Welt die Möglichkeit, ihre Produkte und Techniken vor einem großen Publikum vorzustellen."

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Das Sieger-Eis aus Australien bestach mit seinem Mandorla Affogato-Geschmack, bei dem feinstes Madagaskar-Vanilleeis mit karamellisierten Mandeln und einer köstlichen Kaffeesauce—hergestellt aus Bohnen aus nur einem Ursprungsgebiet (Single Origin Coffee, wie der Kaffee-Connaisseur zu sagen pflegt)—kombiniert wird. Die Crowls haben extra für das Finale kurz vor ihrer Abreise eine nächtliche Kaffeeverkostung veranstaltet, bei der ausgewählte Stammgäste ihren Favoriten nennen sollten. „Der Plan war, etwas Neues auszuprobieren", erzählt uns Wendy. „Sam und John haben ausgerechnet, welche Kaffeemenge nötig ist, um der Süße der Vanille entgegenzuwirken. Und die Mandeln haben dann für den Knusper-Effekt gesorgt."

Bei einem echten Affogato (was auf Italienisch so viel wie „ertrunken" bedeutet) wird ein Schuss heißer Espresso über eine Kugel Vanilleeis gegossen. Bei Cow and the Moon wurde das alte Rezept dergestalt neu interpretiert, dass der Kaffeegeschmack direkt in das Vanilleeis-Aroma eingearbeitet wurde, was die Preisrichter durch die Bank beeindruckt hat. „Wir hätten nicht für möglich gehalten, dass wir das Ding gewinnen würden", gibt Wendy zu. „Obwohl auch andere Teilnehmer aus fernen Ländern wie Kanada oder Dubai antraten, sind die wenigstens italienischer Abstammung und haben somit den „richtigen" Background."

Neben drei unterschiedlichen Teams aus Down Under waren auch Eiskünstler aus Deutschland am Start, das Land, in dem mehr Eis konsumiert wird als in so sonnenverwöhnten Ländern wie Spanien oder Griechenland (auch wenn, kurioserweise, unsere skandinavischen Nachbarn Eis-Europameister sind). Die deutschen Vertreter kamen aus der bayrischen Stadt Kempten, Birkenfeld in Rheinland-Pfalz sowie von der ostfriesischen Insel Borkum. „Alle Bereiche sind vertreten: der Süden, der Norden und die Mitte Deutschlands. Das ist doch toll", so Adriano Colle im Gespräch mit dem Stern. Der 42-Jährige Allgäuer mit italienischen Wurzeln hatte die deutsche Vorauswahl der Gelato World Tour in Berlin mit seiner Eissorte „Gewürze des Orients" für sich entscheiden können, ist aber im Finale leer ausgegangen.

Deutlich besser lief es hingegen für Frerk Veen von der Insel Borkum, der mit seinem vierten Platz nicht nur knapp das Podium verpasst hat, sondern zudem mit einem Sonderpreis—dem Titel „Goldener Spachtel" als bester Eis-Portionierer—geehrt wurde. An den Start gegangenen war der 51-Jährige mit seiner Eissorte „Exotischer Sonnentraum", einer herrlich erfrischenden Kreation aus Limetten, Zitronen, Datteln und Basilikum. Übrigens musste Veen nicht weniger als 300 Kilo von seinem Eis für das Finale in Rimini herstellen.

„Der Erfolg von Cow and the Moon sowie die Sonder- und Ehrenpreise für deutsche, amerikanische und kanadische Teilnehmer beweisen, dass auch Nicht-Italiener großartiges Eis herstellen können. Sie müssen dafür nur ihre Hausaufgaben machen und mit Leidenschaft an die Arbeit gehen", so Righi. „Wenn du dich mit den nötigen Produktionsprozessen auseinandersetzt und für dein Eis hochwertige Zutaten verwendest, kannst du in diesem Business äußerst erfolgreich sein."

Diese Meinung teilt auch Wendy, für die harte Arbeit und alte Handwerkskunst der wahre Schlüssel zum Erfolg sind. „John hat die Eisherstellung direkt in Italien gelernt. Zudem kommen bei uns traditionelle Geschmackssorten wie Zitronensorbet und Pistazie zum Einsatz", so Wendy. „Traditionelle handwerkliche Arbeit steht bei uns im Mittelpunkt."

Und spätestens beim Anblick der fast täglichen Schlangen vor ihrem Eiscafé in Sydney wird klar, dass gutes Eis nicht zwangsläufig aus Italien kommen muss. Scusate, amici!