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Ich ließ mich von Fidel Castros ehemaligem Koch bekochen

Ich kam mit einer Mission nach Havanna: Fidel Castros Koch zu finden. Der führt ein kleines, unscheinbares Restaurant in Havanna, bellt mit dem Personal und schwärmt von Fidel.

An meinem ersten Abend im Mama Ines war ich von meinem eigenen Glück überwältigt. Als ich das Lokal betrat, war nur der Gastgeber und ein anderer Typ anwesend—ein magerer, alter Mann, der in der Ecke saß und frittiertes Hühnchen von einem Pappteller aß.

„Erasmo?", fragte ich.

Sein Mund war voll, aber er deutete mit seinen Armen etwas, das ich als Ja, das bin ich interpretierte. Eine halbe Stunde später aß ich ceviche mit Koriander und saß mit dem Mann am Tisch, der dieses Gericht 30 Jahre lang für Fidel Castro zubereitet hatte.

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Ich hatte von meiner Journalistenschule eine vage Bewilligung erhalten, aus Kuba zu berichten und als mir das ungefähr gleich vage Gerücht zu Ohren kam, dass Fidels ehemaliger Koch kürzlich ein Restaurant eröffnet hatte, war klar, wo ich hin wollte.

Tomas Erasmo Hernandez, auf dessen Visitenkarten er sich selbst einfach nur „Erasmo" nennt, machte gerade eine Ausbildung zum Koch in einem Hotel in Havanna, als die kubanische Revolution ausbrach. Er war damals erst 16, als er beschloss, Che Guevara im Kampf zu unterstützen. Durch die Hilfe von Che gelang es Erasmo dann, eine ziemlich gute Stelle als Koch zu bekommen: Die nächsten dreißig Jahre war er Fidel Castros Koch.

Über die Jahrzehnte kochte er für unzählige Berühmtheiten und Staatschefs—ein kleines Foto von ihm gemeinsam mit Fidel und dem späten Gabriel García Márquez hängt ganz unprätentiös in der Ecke seines Restaurants.

„Die zwei sind wie Brüder", sagte er.

Sein Restaurant, Mama Ines, ist eines der zahlreichen paladares, der privaten Restaurants, die kürzlich von der kubanischen Regierung als legal erklärt wurden. Erasmos Transformation von Fidels loyalem Diener zum erfolgreichen Geschäftsmann sagt sehr viel über die Veränderungen aus, die gerade in Kuba passieren. Um den Tourismus zu fördern, die wichtigste Einkommensquelle Kubas, spielen kleine Geschäftsinhaber wie Erasmo eine wichtige Rolle—nicht nur wegen des Essens, auch um Taxis zu fahren, Mojitos zu mixen und Che-Guevara-Schlüsselanhänger zu verkaufen.

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Ursprünglich beschränkte die Regierung die Größe der paladares auf maximal 12 Sitzplätze pro Restaurant und verlangte, dass die Besitzer diese in ihren eigenen vier Wänden betreiben. In den letzten fünf Jahren sorgte Fidels jüngerer Bruder Raúl aber für immer mehr Rechte für private Geschäftsinhaber, cuenta propistas.

Im Jahr 2013 war laut offizieller Aufzeichnungen einer von fünf Kubanern ein eingetragener cuenta propista, aber viele Experten gehen von viel höheren Zahlen aus, wenn man zum einen die inoffiziellen Geschäftsbetreiber miteinbezieht, aber zum anderen auch die Regierungsangestellten, die sich durch Nebenverdienste ihr mageres offizielles Einkommen aufbessern wollen.

Es geht schließlich um Geld. Kuba hat ein kompliziertes duales Währungssystem: die Touristen und Ausländer bezahlen mit CUCs (Cuban convertible pesos), die einen viel höheren Wert haben, als die Pesos, mit denen die Kubaner ihre Geschäfte unter sich abwickeln. Deshalb können private Unternehmen, die auf Touristen ausgerichtet sind, gleich viel Einkommen einbringen, wie ein relativ prestigeträchtiger Regierungsjob.

Nachdem ich mich vorgestellt hatte, fragte ich Erasmo, ob meine Freundin und ich in seiner Küche abhängen dürfen. Für die meisten Köche, besonders, wenn du sie gerade vor fünf Minuten kennen gelernt hast, ist das recht viel verlangt. Und irgendwie standen Kelly und ich trotzdem eine Minute später zwischen einem Gewürzregal und einem Kühlschrank. Ich machte Notizen und Kelly Fotos, gelegentlich bewegten wir uns, damit der Sous Chef Fleisch aus dem Kühlschrank holen konnte.

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Erasmo bei der Arbeit. Alle Fotos von Kelly Tunney

Im Laufe einer Woche ging ich immer wieder hin und probierte alles aus, von Erasmos traditionell kubanischer Kost—gebratenen Kochbananen, gehacktem Schweinefleisch, Reis und Bohnen—bis hin zu kreativeren Gerichten wie Hummer und gebratenem Tintenfisch.

Die Sauce vom bacas fritas, zartes Schweinefleisch mit Gemüse, war köstlich, fast hätt ich den Teller abgeschleckt. Es gab ceviche mit Koriander oder dicke fette Shrimps. Und am Ende jedes Ganges gab es ein Stück Guave mit Sirup. Dazu trank ich Piña Coladas und Mojitos. Es war phänomenal, das beste, was ich in Havanna gegessen habe.

„Fidel hat einen Engel," sagte Erasmo, als er von den zwei versuchten Mordanschlägen zu erzählen begann, bei denen er Zeuge war. Die CIA versuchte Fidel über 50 Mal zu ermorden und scheiterte genauso oft." Diese Statistik teilte Erasmo mit Stolz. „Fidel ist so stark, keiner kann ihn umbringen."

Erasmo ist 71, groß und schlank und rennt mit jugendlicher Energie zwischen Küche und Speisezimmer hin und her, wo er abwechselnd Bestellungen an seine Küchenmitarbeiter lauthals weitergibt während er seine Gäste herzlichst begrüßt. Mama Ines liegt in einer kleinen, unscheinbaren Straße mit Kopfsteinpflaster in der alten Innenstadt von Havanna, ein Hafen der Ruhe im Vergleich zur großen, lauten Touristenmeile einige Straßen weiter. Das Restaurant selbst ist sehr leise. Nur ein paar Leute kommen dort jeden Abend zum Essen, während im Hintergrund der stille Klang eines Pianisten zu hören ist, der gleich am Eingang sitzt.

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Erasmo unterhält seine Gäste mit Geschichten über Fidel. Sein Lieblingsgericht? Erasmos Gemüsesuppe. Fidels Benehmen? „Süß wie ein Vater."

„Für mich strahlt er einfach diese Wärme aus", sagte er zu mir mit leuchtenden Augen. Laut Erasmo ist Fidels einziger Fehler, dass er zu nett ist und zu viel geben will.

Meistens erzählt er Ausländern diese Geschichten. Ich frage mich, ob er sie Kubanern auch erzählt. Für ein Abendessen und ein Getränk im Mama Ines wirst du ungefähr 20 Dollar (ca.15,50 Euro) los—OK für einen amerikanischen Reisenden, aber ein großer Teil des durchschnittlichen Monatslohns eines Kubaners.

„Ich hätte gerne mehr kubanische Gäste, aber den Kubanern fehlt das Geld dazu", sagt Erasmo.

Für einen Touristen ist all das eine willkommene Abwechslung zu den faden Restaurants, die von der Regierung betrieben werden und bisher uneingeschränkt die Restaurantszene dominierten. Zumindest für mich. Wenn Erasmo ein kitschiges Restaurant mit Fidel-Motto hätte und seine Kellner Che-Guevara-T-Shirts tragen würden, würde ich diese Story nicht schreiben. Stattdessen ist es ein kleines, charmantes Restaurant in einer ruhigen Seitenstraße in der Altstadt von Havanna.