Nicht jede grüne Paste ist Wasabi

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Nicht jede grüne Paste ist Wasabi

Wasabi ist eines der teuersten Gemüse der Welt und braucht Monate, bis es reif ist. Eine Farm in Hampshire baut als erste in Großbritannien die Wurzel kommerziell an—und der Geschmack ist meilenweit von dem entfernt, was die meisten von uns kennen.

Wenn du dir nächstes Mal eine Sushi-Box zum Mitnehmen holst und mit Stäbchen herumfuchtelst, so als wärst du Profi, solltest du vielleicht wissen, dass diese grüne Paste, in die du deine California Roll tunkst, nicht unbedingt das ist was du glaubst: Senf und Meerrettich spielen schon eher eine Rolle, denn diese beide Zutaten werden der Paste sehr oft hinzugefügt: Wasabi hingegen macht oft nur drei bis vier Prozent des Produkts aus.

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Wasabi ist eine der schwierigsten Pflanzen für den kommerziellen Anbau und der Kilopreis kann bei bis zu 340 Euro liegen. Dieser Herausforderung nahm sich Job Old an, dessen Familie schon seit 1850 Brunnenkresse im Südosten von England anbaut.

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Die Wasabi-Farm der Wasabi Company in Hampshire. Alle Fotos von der Autorin.

Indem leere viktorianische Kiesbeete für den Wasabi-Anbau umfunktioniert wurden, kann jetzt der beliebte Cousin von Senf und Meerrettich zum ersten Mal in Großbritannien gewerbsmäßig angebaut werden. Obwohl sich das Anbaugebiet der Wasabi Company in Dorset befindet, wurde ich nach Hampshire geschickt, weil die Tests, die im Wasabi-Basecamp durchgeführt werden, streng geheim gehalten werden.

Laut Nick Russell, dem Manager des Wasabi-Zweigs des Unternehmens und mein Führer während meines Besuchs, wollen Konkurrenten bis aus Tasmanien einen Blick auf ihre Farm und ihre Methoden erhaschen. Sie haben sogar Codewörter, die sie in E-Mails verwenden, wenn es um Wasabi geht. Ich kann so viel nachbohren, wie ich möchte, Russell gibt nicht heraus, mit was in aller Welt man mit einer 1000 Jahre alten Brassica experimentieren könnte.

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Leere viktorianische Kieselbeete mit Quellwasser, in denen heute Wasabi angebaut wird.

Eigentlich sollte mich das aber nicht wundern. Wasabi ist das teuerste Gemüse der Welt und es braucht ganze 24 Monate, bis es reif ist.

Wie Chattanooga in Tennessee bieten auch Teile von Südostengland fast die gleichen klimatischen Bedingungen wie die Izu-Halbinsel in Japan, wo Wasabi ursprünglich herkommt. Ein paar Autominuten vom Bahnhof eines winziges Dorfs entfernt stehen Russell und ich auf einem kleinen, unscheinbaren Feld irgendwo in Hampshire. Es regnet fast durchgehend und das erste Mal in den letzten Wochen ist es kalt. Er sagt, es wäre der perfekte Tag für die Wasabi-Wurzeln.

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„Wir versuchen, die natürliche Wachstumsumgebung von Wasabi nachzuahmen, also die Bedingungen der Bergbäche von Japan. In diesen Gebieten gibt es riesige Bäume, die über den Bächen hängen und viel Schatten bieten", erklärt Russell. „Das ist eines der wichtigsten Dinge, die die Pflanzen brauchen. Sie mögen kein Sonnenlicht und der englische Sommer ist dem Klischee nach nicht besonders toll, also freut sich der Wasabi."

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Unter Mull, der speziell kreiert wurde, um 80 Prozent Schatten zu schaffen, treten wir in ein kühles Zelt und direkt auf Steinmauern, die Teil der umfunktionierten Wasserkresse-Beete sind. Wasabis ideale Umweltbedingungen werden oft als „Goldlöckchen-Klima" bezeichnet: nicht zu warm, nicht zu kalt und mit Zugang zu Quellwasser, dessen Temperatur sich je nach Jahreszeit nicht allzu viel verändert. In Hampshire fließen etwa 500 Liter frisches, kalziumreiches Quellwasser durch die Beete, sodass Wasabi Wurzeln schlagen kann.

„Wir können uns glücklich schätzen, dass wir natürliches Quellwasser direkt aus dem Erdboden haben", sagt Russell. „Es hat etwa zehn bis zwölf Grad und weil es so tief aus dem Grund kommt, ist die Temperatur konstant. Die Pflanzen mögen es nicht, in Wasser zu sitzen, sie brauchen nur frischen Nachschub. Das Wasser ist voller Mineralien, die das Wachstum fördern."

Das Quellwasser fließt täglich durch die viktorianischen Beete und die Nacht und der Schatten halten die Pflanzen auch im Hochsommer kühl genug. Das klingt nach ziemlich viel Aufwand. Ich frage Russell, ob Wasabi wirklich so schwierig anzubauen ist.

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„Vom Anbau bis zur Ernte dauert es zwei Jahre und während dieser Zeit ist man potentiellen Problemen ausgesetzt: Krankheiten, Fasane, die die Pflanzen aus dem Boden ziehen, das Wetter … Es gibt so viele Dinge, die eine Ernte in so einer langen Wachstumsperiode schädigen können."

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Wasabi kann auf bis zu 300 g heranwachsen. Kleinere schmecken süßlicher, die größeren entwickeln ein runderes Geschmacksprofil. Aber nicht nur das Rhizom ist essbar, sondern die gesamte Pflanze—wenn einem ein paar bittere Wurzeln egal sind.

Wir sitzen auf einer Holzbank und Russell fängt an, den Schaft des Rhizoms abzuschneiden, das er gerade aus dem Kieselbeet gezogen hat. Er erklärt, wenn man von der Wurzel einfach Scheiben herunterschneiden würde, hätten die Stücke überhaupt nicht den typischen Geschmack.

Stattdessen holt Russell eine kleine Reibe heraus, die speziell für Wasabipaste gedacht ist. In einer kreisförmigen Bewegung spaltet er das Wasabi auf, was eine chemische Reaktion hervorruft. So entsteht die Paste mit ihrer berühmten Schärfe und ihrem Geschmack.

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Wasabi-Wurzel wird zu einer Paste gerieben.

Die volle Wirkung entfaltet sich erst nach zwei oder drei Minuten und hält nur etwa 20 Minuten an, bevor sie komplett verschwindet.

„Genau deshalb gibt es Wasabi nicht aus der Packung", erklärt Russell, „weil man diese chemische Reaktion nicht nachahmen kann. Durch das Reiben werden die Enzyme zwangsläufig miteinander kombiniert, wodurch der ganze Geschmack und das Aroma entsteht. Dabei entstehen sogenannte Isothiocyanate oder ICTs, die eine unterstützende Wirkung beim Aufspalten der Reaktion von Krebszellen haben. Es hilft also, die Blutzufuhr zu Krebszellen zu verlangsamen. Theoretisch kann man damit also das Wachstum von Krebs hemmen."

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Ursprünglich bekannt als yama hajikami oder wilder Ingwer, war Wasabi ein semiaquatisches Kraut, das für seine medizinische Wirkung kultiviert wurde. Schon 1600 v.Chr. wurde Wasabi wegen seiner antiseptischen Eigenschaften angebaut, die perfekt zu einer Ernährung mit viel rohem Fisch passte, genauso wie in wärmeren Klimazonen wie in Indien, Malaysia und Thailand Paprikaschoten, Knoblauch und Zwiebeln vorgezogen wurden, um Bakterien abzutöten.

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Der Wasabi-Farmmanger Nick Russell schneidet die Wasabi-Wurzel.

Als ich Russell frage, ob frischer Wasabi jemals die billigere Paste aus dem Supermarkt ersetzen könnte, antwortet er recht enthusiastisch: „Vor 15 oder 20 Jahren hatte in diesem Land keiner eine Ahnung, was Wasabi überhaupt ist. Aber die Leute werden immer offener und experimentierfreudiger, was Essen anbelangt.

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So fasziniert ich auch davon bin, eine Paste aus Enzymen und ITCs aus einer eigenartigen Wurzel zu machen, kann ich mir nicht ganz vorstellen, eine Reibe im Taschenformat für mein Mittagessen mit mir herumzutragen. Aber als ich ein bisschen frisches Wasabi probiere, ist die Vorstellung von verarbeiteter leuchtend grüner Wasabipaste nicht mehr besonders ansprechend. Die frische Version hat einen klaren, starken, fast schon revitalisierenden Geschmack, der nicht viel mit der Meerrettich oder Senf zu tun hat.

Wenn wir schon Massen an rohem Fisch verdrücken(was wir aus Gründen der Nachhaltigkeit bleiben lassen sollten), wird frischer Wasabi und eine Reibe vielleicht in den nächsten Jahren so alltäglich wie Sushi. Das eh schon miserable hier erhältliche Sushi würde jedenfalls um einiges besser schmecken.