Ein Restaurant ist nur so gut wie seine Mitarbeiter
Fotos von Michael Graydon und Nikole Herriott

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Gastronomie

Ein Restaurant ist nur so gut wie seine Mitarbeiter

Für den amerikanischen Koch Travis Lett ist die Beziehung zu seinen Köchen der Schlüssel zum Erfolg. Er erklärt uns, weshalb in seinen Restaurants die Mitarbeiter die wahren Helden sind.

Als ich Gjelina eröffnete, schrieben mir die Leute SMS und fragten mich: „Bist du heute Abend dort?" Ich antwortete immer: „Das spielt keine Rolle. Du musst dir keine Gedanken darüber machen, ob ich dort sein werde oder nicht, weil meine Mitarbeiter dort sein werden."

Die Mitarbeiter—nicht der Chefkoch—sind die wahren Helden eines Restaurants.

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Ein Mitarbeiter von Gjelina

Das geht mit einer weiteren Tatsache einher, die viele Köche erst später in ihrer Karriere realisieren: Chefköche müssen keine Märtyrer sein. Klar, irgendwie hat das so einen romantischen Unterton und jeder Koch, der ein Restaurant besitzt, muss sich irgendwann mal durchsetzen, aber ich mag den Gedanken nicht, dass ich 18 Stunden pro Tag in meinem eigenen Restaurant ein Märtyrer sein soll, damit alles funktioniert. Dafür habe ich schließlich meine Crew.

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ARTIKEL: Ein Restaurant zu besitzen, hat mich zu einem furchtbaren Menschen gemacht

Bei meinem Restaurant geht es nicht um mich. Ich bringe meinen Mitarbeitern bei, dass sie alles tun können, was ich kann. Wenn jemand in mein Restaurant essen geht, möchte ich nicht, dass sich diese Person denkt: Wow, der Koch muss ein cleverer Kerl sein. Sondern, Wow, die Zutaten sind der Wahnsinn.

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Enten, bevor sie im Gjelina weiterverarbeitet werden

Als Gjelina noch in Arbeit war, wurde ich sehr oft gefragt, wie das „Konzept" für das neue Restaurant aussieht—eine Frage, die ich eigentlich versuche zu umgehen. Verlegen antwortete ich meistens, dass ich mich auf saisonale Gemüsegerichte spezialisieren möchte und ziemlich oft bekam ich einen „Na dann, viel Glück"-Blick zugeworfen und somit war das Gespräch beendet. Ich muss zugeben, extrem teure Mieten in der Innenstadt von Los Angeles zu bezahlen und Gemüsebeilagen für acht Dollar zu verkaufen, war irgendwie ungewöhnlich. Fast zehn Jahre später bin ich meiner Sache treu geblieben und ich glaube, es hat sich ausgezahlt. Die Leute geben ihre Stimme mit ihrem Geld ab und sie glauben an Gjelina und mein zweites Restaurant, Gjusta, an unsere Philosophie und alles, wofür wir stehen.

Ja, der Preis meiner Gerichte werden vielleicht als teuer wahrgenommen, aber so viel kostet es eben, wenn man ein Restaurant mit einer Speisekarte betreibt, die fast ausschließlich auf regionalem Biogemüse und -mehl basiert—alles, bis hin zu den Zwiebeln und Karotten, die wir für Brühe verwenden und Nüsse für unsere selbst gemachte Nussmilch für den Kaffee. Und meine Küchenmitarbeiter bekommen einen vernünftigen Lohn.

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Ich stehe meinen Mitarbeitern sehr nahe. Es ist eine tolle Erfahrung, jeden Tag mit ihnen Seite an Seite zu arbeiten. Mehr als 75 Prozent von ihnen kommen aus dem ländlichen Oaxaca und ohne sie würde es mein Restaurant nicht geben. Sie arbeiten sehr hart und nicht viele amerikanische Köche sind bereit, so hart zu arbeiten, nonstop, tagein, tagaus.

Viele meiner Köche kenne ich mittlerweile schon seit mehr als zehn Jahren. Ich habe mit ihnen in anderen Küchen zusammengearbeitet und sie ins Boot geholt, als ich mein eigenes Restaurant eröffnete. Mit vielen bin ich sehr gut befreundet. Sie sind einige der besten Köche, die ich kenne, allein schon aus dem Grund, dass sie aus wunderschönen, wilden Regionen in Mexiko stammen, wo sich viele noch vor ein paar Jahren von den Gaben der Natur ernährten. Viele von ihnen erzählen während der Arbeit Geschichten von früher, wie ihre Eltern Hühner töteten und jeden Morgen Gemüse ernteten und wie komisch für sie das Konzept von Fertiggerichten ist.

Sie sind einige der besten Köche, die ich kenne, allein schon aus dem Grund, dass sie aus wunderschönen, wilden Regionen in Mexiko stammen, wo sich viele noch vor ein paar Jahren von den Gaben der Natur ernährten. Wenn man mit so einer Vielfalt an wilden Nahrungsmitteln aufwächst, muss man fast tolles Essen kochen und einen natürlich guten Gaumen haben.

Wenn man mit so einer Vielfalt an wilden Nahrungsmitteln aufwächst, muss man fast tolles Essen kochen und einen natürlich guten Gaumen haben. Das sind genau die richtigen Fähigkeiten, um qualitativ hochwertiges Essen zu kochen.

Als ich Gjusta eröffnete, beschloss ich, keine Wände, sondern Fenster zwischen den Köchen und den Gästen anzubringen—damit sie mehr Beachtung bekommen. Rockstar-Köche, wie man sie im Fernsehen und in Hochglanzmagazinen sieht, sind zwar cool und alles, aber ich wollte deutlich machen, wer sich in meiner Welt wirklich hinter den Restaurants versteckt.

Photo by Michael Graydon and Nikole Herriott

Die Gjelina-Küche während der Rush Hour zur Mittagszeit (Foto von Javier Cabral)Aufgezeichnet von Javier Cabral

Ich glaube, ich bin in meine Mitarbeiter verliebt. Ich wünsche mir, dass sich alle meine Mitarbeiter, egal mit welchem Titel, Prestige oder welcher Herkunft auf der gleichen Ebene befinden und es keine Grenzen zwischen ihnen gibt. Sie inspirieren mich jeden Tag aufs Neue.