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Ernährung

Meine Intoleranz macht mich noch lange zu keinem Restaurant-Arschloch

Köche sind immer frustrierter aufgrund der immer häufigeren, angeblichen Lebensmittelunverträglichkeiten ihrer Kunden. Aber das Schlimmste von allen anzunehmen, hilft auch keinem.
Image by Delwin Steven Campbell via Flickr

Hey, liebe Restaurants: Ich gebe euch einen großen Teil meines Einkommens. Ich bringe meine Freunde zu euch mit und muss mir ihre Leiden anhören, während ich einen Wucherpreis für übertrieben teure kleine Teller mit Kohl und Gläsern voll Viognier bezahlen muss.

Obwohl ich weder gluten- noch laktoseintolerant bin, werde ich aber trotzdem Sachen aus der Karte um- oder abbestellen, wenn es sein muss. Das mag zwar lästig sein, aber das macht mich nicht zu einem ignoranten Arschloch.

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Köche sagen mittlerweile frei heraus, wie intolerant sie gegenüber dem Wort „intolerant" sind. Verständlich. Es gibt massenhaft Leute da draußen—ich kenne ein paar davon—, die der festen Überzeugung sind, dass Weizen böse ist. Sie haben definitiv keine Intoleranz. Sie sind viel mehr immer noch in dieser Post-Atkins-Einstellung gefangen und glauben deshalb, dass Kohlenhydrate schlecht sind und dick machen. Aus diesem Grund werden sie die Kellner darum bitten, dass der Koch alles Kohlenhydrathaltige weglässt oder sie werden sich einfach weigern, Risotto zu essen, weil sie glauben, es enthält tödliches Gluten. Aber nicht jeder, der darum bittet, etwas auf der Karte zu ersetzen oder wegzulassen, tut das aus den gleichen Gründen.

Wenn du ein Koch bist, der zusammenzuckt, wenn ich freundlich danach frage, ob ich das Beef Shin Ragu mit Gemüse statt mit Pasta haben kann, dann ärgert dich das zwar, aber du hast keine Ahnung, was der Grund für meine Bitte ist.

Da aber die meisten guten neuen Restaurants sowieso nur noch kleine Gerichte oder Degustationsmenüs auf der Karte stehen haben, wird es immer einfacher etwas passendes auf der Karte zu finden, wenn du irgendwelche besonderes Ernährungsbedürfnisse hast (sicherlich wird dir jeder Koch, der nur Menüs kocht, etwas passendes zubereiten, wenn du es im Vorhinein sagst), aber es gibt immer noch einige Restaurants, die dem Beispiel nicht folgen und in denen Leute wie ich, die „Intoleranten", um peinliche Gefallen der Küche bitten müssen.

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Aber, hör mal zu: Wenn du ein Koch bist, der zusammenzuckt, wenn ich freundlich danach frage, ob ich das Beef Shin Ragu mit Gemüse statt mit Pasta haben kann, dann ärgert dich das zwar, aber du hast keine Ahnung, was der Grund für meine Bitte ist. Du weißt nur, dass ich gefragt habe.

Ernährungsbedürfnisse lassen sich nicht einfach in A und B einteilen. Wir laufen nicht alle dem gleichen ignoranten Ich-esse-keine-Kohlenhydrate-weil-ich-glaube-dass-sie-meinen-Bauch-schwabbelig-machen-Rudel nach. Ich persönlich habe Probleme mit Weizen, rotem Fleisch und Hülsenfrüchten aufgrund eines beinahe fatalen, geplatzten Blinddarms vor mehr als zehn Jahren, was einige Operationen und mehr eklige Verdauungsprobleme nach sich zog, als du dir je vorstellen könntest. Ich bin nicht Teil des 500% Anstiegs von Einlieferungen ins Krankenhaus aufgrund von Lebensmittelallergien seit 1990 und bin auch gegen gar nichts allergisch. Von Pasta wird mir aber trotzdem schlecht und nach ein paar Scheiben Brot liege ich auf dem Bauch auf den kalten Fliesen der Toilette und hoffe auf Linderung während alle anderen ihre Desserts essen.

Werde ich das alles einem Koch durch einen Kellner erklären? Nein. Sollte auch nicht nötig sein.

Mit vielen Köchen im Freundeskreis, einem als Bruder und mit einen Großvater, der für Auguste Escoffier gearbeitet hat, habe ich über die Jahre schon mehreren Unterhaltungen zugehört, in denen es darum ging, dass die Essenbedürfnisse der Kunden das Leben der Köche zur Hölle machen. Einer meiner ersten Erinnerungen dreht sich darum, dass ich mir in starkem französischen Akzent anhören musste, dass es verboten sein sollte, erstklassiges Fleisch zu lange zu braten.

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Der Kunde hat nicht immer recht. Sie sind—aus meiner eigenen Erfahrung als Kellnerin und Verkäuferin—ein Haufen schreiender, aufgeregter Bastarde.

Ich versteh's schon. Du arbeitest mit den besten Zutaten und hast ein Menü zusammengestellt, dass diese ins beste Licht stellt und deine Expertise und Kreativität demonstriert. Von deiner Vision abzuweichen ist ziemlich hart. Mit Journalismus ist es das gleiche: jeder der schon mal mit einen Redakteur gearbeitet hat, wird sagen, dass es schwierig ist, wenn Sätze gestrichen, ganze Absätze oder der Blickwinkel des Artikels verändert wird, um zum Magazin zu passen.

Aber es ist alles subjektiv.

Der Kunde hat nicht immer recht. Die meisten Kunden sind—aus meiner eigenen Erfahrung als Kellnerin und Verkäuferin—ein Haufen schreiender, aufgeregter Bastarde. Aber sie haben Macht. Sie sorgen für Geld in der Kasse und auf den Konten der Verkäufer oder Kellner. Eine Grauzone muss erlaubt werden.

Es ist falsch, wenn ein Kellner—wie dieser hier—einfach annimmt, dass jeder, der Weizen vermeidet, eine Intoleranz vortäuscht. Genauso falsch ist es, einfach anzunehmen, dass alles, was ein Koch kreiert, auch genau so essen zu müssen. Ja, du würdest wahrscheinlich nicht in ein italienisches Restaurant gehen, wenn du Weizen nicht verträgst, aber wenn dir alles andere auf der Karte zusagt? Oder wenn alle anderen unbedingt dort essen wollten und du mit deinen Weizen-Probleme die Ausnahme bist?

Marco Pierre White mag zwar vielleicht Leute aus seinem Restaurant geschmissen haben, die nach Salz und Pfeffer gefragt haben. Aber wenn einige der besten Restaurants der Welt sich ein Bein ausreißen, um es den Kunden recht zu machen, ist es lächerlich, dass Leute das Gefühl haben, sich dafür schämen zu müssen, um kleine Änderungen an einem Gericht zu bitten.

Es würde sich für Köche und Kellner vielleicht auszahlen, mehr über das Verdauungssystem zu lernen. Ich kenne eine Koch, der sich beispielsweise weigert, Croutons aus einem Salat zu nehmen, „weil Leute dumm wie Schafe sind und alles glauben, wenn sie lesen, dass Brot schlecht ist." Ich frage mich aber, ob pauschale, uninformierte Aussagen über die „Intoleranten" in irgendeiner Weise weniger irritierend sind, als die, die sich als intolerant bezeichnen.

Als ich letztes Jahr im Noma Essen war und mich dafür entschuldigte, ein bisschen von ihrem wunderbaren Brot übrig zu lassen (ich hatte Angst, ich müsse ansonsten das restliche leckere Essen unter Schmerzen verzehren), erklärte mir der Kellner geduldig, dass Brot aus Sauerteig aufgrund der Fermentierung viel leichter verdaulich als andere Brote seien. Er sagte mir, ich müsse mir keine Sorgen machen, wenn ich es nicht aufessen könne und sie würden etwas anderes finden, auf das ich ihre Butter und das Schweinefett schmieren könne und mir war es nicht peinlich. Ich hatte fast ein Jahr lang gespart, um ein Wochenende in Kopenhagen zu verbringen und dort essen zu können und ich kann mir vorstellen, dass es durch meine weinerliche Begeisterung über jeden Krümel, den ich vor mir hatte, ziemlich offensichtlich war.

Obwohl Noma vermutlich die Ausnahme ist, finde ich, dass diese Einstellung in der Welt der Restaurants wohl am meisten Sinn ergibt. Leute geben ihr hart erarbeitetes Geld für gutes Essen aus und von deinen Kunden das Schlimmste anzunehmen, hilft keinem. Du magst dir vielleicht denken, Geh woanders hin, aber willst du wirklich auf diesen Kunden verzichten?