Diese bunten Reisnudeln sind eine aussterbende Kunst

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Diese bunten Reisnudeln sind eine aussterbende Kunst

Frische thailändische Kanom Jin zu machen, kann ziemlich anstrengend sein – quasi ein Nudel-Workout. Dafür sehen sie magisch aus.

Die Menschen in der thailändischen Provinz Trang kann auch kein heftiger Regen vom Kochen abhalten. Wenn es Nudeln geben soll, dann ist es auch egal, wenn man knietief im Wasser versinkt.

Ich verlasse die holprige Landstraße, die überall in der Provinz zu finden sind, und fahre zum Life Arts Centre, einer Bildungseinrichtung, in der Schulkinder aus der Region etwas über die vergessenen kulinarischen Traditionen und Rituale der Region lernen können. Doch heute hat der Himmel seine Pforten weit geöffnet und es ist menschenleer – eher eine sumpfige Hütte statt eines feingeistigen Lernzentrums.

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Mir ist nicht sofort klar, warum mein Guide mir diesen Ort empfohlen hat, hockende Männer blicken nachdenklich auf die überfluteten Straßen, streunende Hunde starren jeden, der vorbeikommt, böse an. Doch dann sehe ich eine Frau in der Hütte stehen: Sie schlägt auf eine lila Teigkugel ein. Ihre Hände sind von der purpurnen Farbe der Blüten der Blauen Klitoriekomplett bedeckt. Sie formt faustgroße Kugeln aus dem Teig und legt sie in eine zylindrische Nudelpresse aus Messing.

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Im Life Arts Centre in Südthailand werden kulinarische Traditionen bewahrt, wie zum Beispiel die Herstellung von Kanom-Jin-Nudeln. Foto von Richard Poole

Für den nächsten Teil der Nudelherstellung braucht sie Freiwillige. Saiphin Moore meldet sich, sie ist in Thailand aufgewachsen und leitet eine derFilialen von Rosa's Thai Café in London. Seit sie ein kleines Mädchen war, hat sie diese Nudeln nicht mehr gemacht.

Sie trägt die Presse zu einem riesigen Topf mit Wasser, der über einem lodernden Feuer sitzt und hievt sie in eine Halterung, macht einen Deckel drauf und presst dann mit Hilfe eines Holzstabs und viel Kraft den Teig durch die Form. Lange Nudeln fallen in das heiße Wasser. Das sind sie, Kanom-Jin-Nudeln.

Sie stöhnt vor Anstrengung, während sie den Stab immer weiter im Kreis bewegt.

„Ein ziemliches Workout!", winselt sie. „Kanom Jin sind etwas sehr Besonderes für uns. Die meisten essen heutzutage getrocknete Nudeln. Früher gab es diese hier bei Hochzeiten im Sommer oder zu besonderen Anlässen. Die Herstellung ist nicht einfach – das haben wir immer im Voraus geplant."

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Saiphin Moore schöpft die Nudeln ab. Foto von Richard Poole

Das Wetter ist immer noch miserabel. Ein Wasserbüffel mit einem Seil durch der Nase starrt uns an und entscheidet sich dann ganz plötzlich für ein Flussbad. Wir stehen in der Hütte etwas unbeholfen um den Topf herum.

„Meiner Familie gehört dieses Land, wir haben hier schon immer Reis angebaut. Doch viele vergessen, wie man Reis richtig nutzt", erzählt Sumrith, der Künstler, der dieses Zentrum gegründet hat, meinem Dolmetscher. Mit diesem Projekt will er den Menschen verständlich machen, dass Reis Thailands wichtigstes Produkt ist.

„Es geht um den Lebenszyklus von Reis, es beginnt in den Reisfeldern,wo er angebaut wird. Dann wird er geerntet und gemahlen", erzählt er weiter. „Reis braucht man nicht nur für Currys, sondern auch für solche Nudeln oder Desserts."

Im ersten Jahr nach der Gründung haben 40.000 Thailänder die Einrichtung besucht. „Das war eine echte Überraschung", meint Sumrith.

Ein Blubbern verrät uns, dass die Nudeln fertig sind. Saiphin ist sofort zur Stelle und geht mit einem riesigen korbähnlichen Sieb durch den Kessel, um die Nudeln abzuschöpfen. Sie gibt sie in eine Schüssel und wäscht sie anschließend drei Mal.

„Wir müssen die Stärke entfernen. Das ist harte Arbeit", keucht sie.

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Die fertigen Nudeln kommen dann auf Bananenblätter. Foto von Richard Poole

Dann endlich holt sie die Nudeln raus, wickelt sie in Form einer Acht um ihre Finger und legt sie dann auf Bananenblätter.

Mein Magen knurrt. Aber wir müssen noch mehr Nudeln machen. Kanom Jin herzustellen, ist eine ziemlich aufwendige Angelegenheit.

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„Für getrocknete Nudeln lässt man den Teig ein paar Tage fermentieren, um sie haltbar zu machen. Hier kann man davon nichts riechen, weil sie frisch sind", erklärt Saiphin Moore, während eine andere Frau knallgelben Kurkuma in einen Topf mit Wasser und Reismehl gibt, der dann über das Feuer kommt und aufkocht.

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Jetzt beginnt die wirkliche Arbeit. Der farbige nasse Teig kommt in eine V-förmige Form, die aus einem Baumstumpf geschnitzt wurde. Saiphin und zwei andere Frauen nehmen lange Teighölzer und schlagen auf den Teigklumpen ein, bis sich eine feste Kugel daraus formt. Sieht aus wie ein riesiger Marshmallow.

Nach dem Pressen – dieses Mal kommen knallgelbe Nudeln unten raus – können wir endlich essen. Alle knien auf Bambusmatten, vor uns stehen farbenfroh gefüllte Teller. Saiphin gibt jedem auf seine gelben, lila und weißen Nudeln einen Klecks Sauce.

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Kanom Jin werden mit Blauer Klitorie und Kurkuma gefärbt

„Zu jedem Gericht gibt es eine andere passende Nudelsorte", erklärt sie. „Diese hier isst man am besten frisch, mit Gemüse und einer Fisch-Curry-Sauce, denn nur in diesem Teil von Thailand isst man Fischcurry."

Diese frischen Nudeln sind etwas komplett Neues für mich, doch sie sind unglaublich angenehm: kalt, schön leicht und überhaupt nicht labberig. Die gelben schmecken ein wenig erdig.

Wir essen und essen und machen dann eine kurze Pause.

Vor der Hütte, unserem sicheren Unterschlupf, haben sich überall Pfützen gebildet. Die Luft ist richtig frisch und der dichte Wald um uns herum feucht vom Regen.

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Foto von der Autorin

Doch hier, und das ist das Entscheidende, werden Nudeln per Hand gemacht und in Ehren gehalten.

„Die Leute hier leben langsamer", meint Saiphin leise. „Sie kochen und gehen dann wieder nach Hause."